„Die Idee hat sich nicht nur bewährt, sie war auch exportfähig“

14.07.2023 von Katrin Löwe in Campus, Studium und Lehre
Mit einem Festakt begeht das Institut für Wirtschaftsrecht heute das 25-jährige Bestehen des gleichnamigen Studiengangs an der Universität. Rund 700 Absolventinnen und Absolventen gibt es bislang. Was den Studiengang schon bei seiner Gründung besonders gemacht hat und wie die Zukunft aussehen soll, erklären Prof. Dr. Anne-Christin Mittwoch und Prof. Dr. Christian Tietje, Mitglieder des Instituts-Direktoriums.
Blick auf das Juridicum - hier hat auch das Institut für Wirtschaftsrecht seinen Sitz.
Blick auf das Juridicum - hier hat auch das Institut für Wirtschaftsrecht seinen Sitz. (Foto: Maike Glöckner)

Herr Tietje, Sie waren im Januar 1998 noch nicht an der MLU, als der Studiengang Wirtschaftsrecht eröffnet wurde...
Christian Tietje: Richtig. Aber ich weiß, dass es auf jeden Fall ein Ereignis war. Nicht nur, weil der damalige Präsident der Deutschen Bundesbank und die Justizministerin von Sachsen-Anhalt gekommen sind. FAZ, Handelsblatt, Welt am Sonntag, regionale Zeitungen, das Fernsehen, selbst die Bild-Zeitung: Alle haben damals berichtet, natürlich auch die großen juristischen Fachzeitschriften. Das war allerdings nicht überraschend. Der Studiengang Wirtschaftsrecht unserer Universität war der erste wirtschaftsrechtliche Ergänzungsstudiengang in Deutschland überhaupt. Die Initiative kam von Zivilrechtler Professor Stefan Grundmann, daraus wurde dann ein Gemeinschaftsprojekt mit meinem Lehrstuhlvorgänger Professor Werner Meng und den Wirtschaftswissenschaften.

Christian Tietje
Christian Tietje (Foto: Michael Deutsch)

Was war und ist die Intention des Studienganges? Und was zeichnet ihn besonders aus?
Tietje: Er soll besonders qualifizierten Juristinnen und Juristen, Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftlern und mittlerweile auch weiteren Studierenden aus sozialwissenschaftlichen Disziplinen eine Zusatzqualifikation bieten, die sie von der breiten Masse von Studierenden abhebt. Auf der ersten ersten Absolventenfeier, die ich 2002 als dann bereits Professor an der MLU geleitet habe, wurden besonders die Seminare, an denen Praktiker beteiligt sind, sowie die internationale Dimension des Studienganges hervorgehoben. Beides ist bis heute wesentlich. Mittlerweile sind zwei Praktikerseminare obligatorisch und unser Profil an englischsprachigen Lehrveranstaltungen sowie in englischer Sprache durchgeführten Austauschprogrammen mit ausländischen Partneruniversitäten zum Beispiel in China, Aserbaidschan und Kasachstan ist deutlich geschärft. Das Konzept hat sich bewährt.

Das bedeutet? Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Tietje: Ich denke, an die 700 Absolventinnen und Absolventen sprechen für sich. Viele sind in großen und kleineren Anwaltskanzleien ausgesprochen erfolgreich, als Richterinnen und Richter, als Verwaltungsjuristen oder Staatsanwälte. Oder sie vertreten Interessen in Unternehmen, Verbänden, nationalen und internationalen Organisationen. Statt anfangs 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern pro Jahr werden heute rund 25 Studierende pro Semester aufgenommen, der Studiengang ist zum dritten Mal erfolgreich akkreditiert worden. Wenn man die damaligen Ankündigungen und Berichte zur Hand nimmt, könnte man jedenfalls sagen: alles erreicht. Aber natürlich werden wir nie alles erreicht haben.

Anne-Christin Mittwoch: Zur Bilanz gehört vielleicht auch, dass der Ideengeber und Gründervater des Studiengangs später einen weiteren, der Struktur nach ganz ähnlichen Studiengang an der Humboldt-Universität zu Berlin gegründet hat. Die Idee hat sich also nicht nur 25 Jahre lang bewährt, sie war auch exportfähig. Und ganz nebenbei: Dass ich in Berlin die wissenschaftliche Leitung vier Jahre lang ausgeübt habe, hat mich gut auf meine heutige Rolle in Halle vorbereitet.

Anne-Christin Mittwoch
Anne-Christin Mittwoch (Foto: Maike Glöckner)

„… werden wir nie alles erreicht haben“ klingt auch nach Entwicklungspotenzial.
Mittwoch: Natürlich! Zum einen arbeiten wir in Halle nicht nur interdisziplinär mit Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, sondern auch intradisziplinär. Das heißt, wir vereinen die drei Säulen aus Öffentlichem Recht, Zivilrecht und Strafrecht. Insbesondere die Verknüpfung von Öffentlichem Recht und Zivilrecht wird immer bedeutender, wenn man an Fragen von Globalisierung und Transnationalisierung von Wirtschaft, aber auch an Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit denkt. Die beiden letzteren wirken nicht nur auf „großen Bühnen“, sondern auch alltäglich im Kleinen – die Transformation betrifft uns also alle und erfordert juristische Expertise. Das müssen wir aufgreifen und begleiten, in Forschung und Lehre.

Die Interviewten

Prof. Dr. Christian Tietje ist seit 2001 Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Internationales Wirtschaftsrecht an der MLU. Er war von 2002 bis 2021 Geschäftsführender Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht und gehört dem Direktorium bis heute an. Zudem leitet er die Forschungsstelle für Transnationales Wirtschaftsrecht (TELC) an der Universität. Von 2018 bis 2022 war er Rektor der MLU.

Prof. Dr. Anne-Christin Mittwoch wurde im Oktober 2021 an der MLU berufen, sie ist Professorin für Bürgerliches Recht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht. Sie ist die aktuelle Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Wirtschaftsrecht.

 

Kommentar schreiben