Strukturwandel: Forschung für die Region

05.06.2025 von Tom Leonhardt in Wissenschaft, Wissenstransfer, Forschung
Der Kohleausstieg bis spätestens 2038 ist beschlossen, aber was bedeutet das für Sachsen-Anhalt? Welche Chancen liegen in der Region, welche Herausforderungen gibt es? Antworten darauf liefert das „European Center of Just Transition Research and Impact-Driven Transfer“ (JTC). Ziel ist, mit den Landkreisen forschungsbasierte Lösungen für ihre künftige Entwicklung zu erarbeiten. Am Mittwoch wurde dafür die erste Außenstelle in Zeitz eröffnet.
Zeugnis der langen Bergbautradition im südlichen Sachsen-Anhalt: eine Abraumhalde im Mansfelder Land
Zeugnis der langen Bergbautradition im südlichen Sachsen-Anhalt: eine Abraumhalde im Mansfelder Land (Foto: Adobe Stock/fotowelt)

Die Pyramiden des Mansfelder Landes sind Symbol für Vergangenheit und Zukunft zugleich: Die Halden des Kupferschieferbergbaus im südlichen Sachsen-Anhalt sind das sichtbare Ergebnis des Bergbaus in der Region, der mehrere Jahrhunderte zurückreicht. 1990 wurde der Betrieb eingestellt, die Halden aber blieben. Und mit ihnen auch ein großes Potenzial, wie der Geowissenschaftler Dr. Ralf Halama sagt: „Im Kupferschiefer selbst oder auf den Halden können noch weitere Metalle vorhanden sein, zum Beispiel Nickel und Cobalt. Das sind weltweit knappe, kritische Rohstoffe. Sie im eigenen Land fördern zu können, hätte eine hohe Relevanz.“ Das wirtschaftliche Potenzial fundiert einzuschätzen, ist die Aufgabe eines JTC-Innovationsteams, das Halama leitet. Insgesamt sind es 17 Teams. Ihre Aufgabe ist es, praxisnahe Lösungsvorschläge für Herausforderungen der vier vom Kohleausstieg betroffenen Landkreise in Sachsen-Anhalt – Mansfeld-Südharz, Anhalt-Bitterfeld, Burgenlandkreis und Saalekreis – zu erarbeiten.

Die Themen der einzelnen Projekte sind auf drei Kernbereiche verteilt: die sozialwissenschaftliche Transformations- und Nachhaltigkeitsforschung, die Forschung zu nachhaltigen Werkstoffen und Technologien sowie die Forschung zu juristischen Fragestellungen und Bildungsangeboten zur Nachhaltigkeit. Rund 21,5 Millionen Euro stellt das Land Sachsen-Anhalt der Universität für das Center im Rahmen des „Just Transition Fund“ der Europäischen Union zur Verfügung. Den Förderbescheid überbrachte Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann im April 2024 persönlich an die Universität.

Der Vorstand des JTC (von links): Ralf Wehrspohn, Jonathan Everts, Susanne Hübner und Christian Tietje
Der Vorstand des JTC (von links): Ralf Wehrspohn, Jonathan Everts, Susanne Hübner und Christian Tietje (Foto: Anna Kolata)

Ein Schwerpunkt des Centers liegt auf dem Transfer der Forschungsergebnisse in Wirtschaft und Gesellschaft. Das kann zum Beispiel über Ausgründungen, Genossenschaften, Kooperationen mit Firmen oder neuartige Technologien geschehen. Hier bringt der Transfer- und Gründungsservice unter Leitung von Dr. Susanne Hübner seine Expertise ein. Die Forschung soll zum Beispiel dabei helfen, neue Impulse für Jobs in den Regionen zu setzen. „An der MLU gibt es ideale Voraussetzungen für dieses ambitionierte Vorhaben: Wir verfügen über große Expertise in den Bereichen Gründung und Transfer sowie speziell in der sozialwissenschaftlichen Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung. Das ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Damit etwa der Verzicht auf fossile Rohstoffe gelingen kann, braucht es den Dialog zwischen den Disziplinen – und mit der Gesellschaft“, sagt der Jurist Prof. Dr. Christian Tietje, der mit dem Physiker Prof. Dr. Ralf Wehrspohn und dem Geographen Prof. Dr. Jonathan Everts den Antrag für das JTC gestellt hat.

Hier kommen auch die vier Revierscouts des JTC ins Spiel: Sie stehen im ständigen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus den vier Landkreisen. Sie sollen Kontakte zu Industrieunternehmen der Region aufnehmen und aktiv an der Vernetzung mit der MLU arbeiten. Dafür beziehen die Revierscouts ihre Büros auch möglichst in den Landkreisen. Gleichzeitig suchen sie vor Ort nach geeigneten Räumen für geplanten Projekte, sodass zum Beispiel direkt in der Region neue Jobs geschaffen werden.

Die Förderung läuft bis 2027, soll aber deutlich länger wirken: „Wir fördern im Rahmen des JTC bewusst kluge Köpfe mit guten Ideen, die hier im Mitteldeutschen Revier neue Impulse für die nachhaltige, langfristige Entwicklung geben werden“, sagte Rektorin Prof. Dr. Claudia Becker anlässlich der Übergabe des Bescheids.

Mehr Informationen unter: https://jtc.uni-halle.de/

Zur Eröffnung des Büros im Burgenlandkreis: Gemeinsam für die Region: Universität eröffnet Außenstelle in Zeitz

Preisgekrönte Proteinkleber

Constanze Zwies leitet eines der 17 Innovationsteams.
Constanze Zwies leitet eines der 17 Innovationsteams. (Foto: Markus Scholz)

Das JTC-Innovationsteam von Dr. Constanze Zwies (Foto) forscht zu neuartigen Proteinklebern, die herkömmliche Klebstoffe künftig ersetzen könnten. Letztere basieren häufig auf fossilen Rohstoffen, wie Erdöl. Die Forschenden arbeiten an synthetischen Alternativen auf der Basis von Proteinen, die von Muscheln hergestellt werden. Diese sollen nachhaltiger und gesünder sein. Für ihre Promotion zu genau diesem Thema wurde Zwies im Juli 2024 mit einem der drei Transferpreise ausgezeichnet, die von der Universität gemeinsam mit der Stadt Halle und der Stadtwerke Halle GmbH vergeben werden.

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