„Wir waren sehr vorsichtig“

08.07.2020 von Maximilian Kümmerling in Campus, Studium und Lehre, Internationales
An der Universität Halle sind rund 160 Studierende aus China immatrikuliert. Einer von ihnen ist Bin Tang. Er ist zugleich Vorsitzender der „Gesellschaft für chinesische Akademiker Halle“. In „campus halensis“ spricht er darüber, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf ihn persönlich und sein Studium hat, wie es anderen chinesischen Studierenden erging und wie sie sich geschützt haben – vor dem Virus und vor Vorurteilen.
Bin Tang studiert seit dem Wintersemester 2017/2018 an der Uni Halle und ist seit November 2019 Vorsitzender der „Gesellschaft für chinesische Akademiker Halle“.
Bin Tang studiert seit dem Wintersemester 2017/2018 an der Uni Halle und ist seit November 2019 Vorsitzender der „Gesellschaft für chinesische Akademiker Halle“. (Foto: Maximilian Kröger)

Ende September hätte Bin Tang seinen Abschluss im Zweifach-Master Politikwissenschaft und Deutsche Literatur und Kultur an der Universität gemacht. Wegen der Corona-Pandemie kam jedoch alles anders: Seine letzte schriftliche Prüfung wurde von März auf August verschoben - erst dann kann er seine Masterarbeit anmelden. Damit wird er ein Semester länger als geplant an der Universität eingeschrieben sein.

Seinen Nebenjob in einem deutsch-chinesischen Industriepark für mittelständische Unternehmen kann er wegen Corona nicht mehr ausüben. Deswegen muss er auf seine Rücklagen zurückgreifen: „Das angesparte Geld war ohnehin für schwierige Zeiten gedacht. Wenn das jedoch aufgebraucht ist, weiß ich auch nicht mehr weiter.“ Wofür das Geld bereits jetzt nicht mehr reicht, ist sein Plan, dieses Jahr noch einmal in die Heimat zu reisen: „Wegen des eingeschränkten Flugverkehrs sind die Preise mittlerweile ziemlich überhöht.“ Hin- und Rückflug kosten etwa 3.000 statt zwischen 400 und 800 Euro.

Tang haben in den vergangenen Monaten aber nicht nur seine eigenen Pläne bewegt. Als Vorsitzender der „Gesellschaft für chinesische Akademiker Halle“ hat der 29-Jährige viel für die chinesische Community in der Region geleistet. Das hing auch mit einer konkreten Sorge zusammen: „Alle Welt wusste, dass das Virus zuerst in China ausbrach. Wenn es in Deutschland ausbricht, würde man uns dafür verantwortlich machen. Wir wollten nicht, dass es heißt, alle Chinesen hätten Corona. Deswegen mussten wir handeln.“ Zumal wegen des chinesischen Neujahrsfestes zwischen Ende Januar und Anfang Februar besonders viele Studierende in ihrer Heimat waren.

Normalerweise berät die Gesellschaft ihre Mitglieder und vernetzt sie untereinander. Sie fördert auch den kulturellen Austausch, zum Beispiel beim „Chinesischen Abend“ zum International Day 2019 in Halle. Mit Corona änderten sich die Aufgaben: Stattdessen hat die Gesellschaft bereits seit Ende Januar Personen kontaktiert, die geplant hatten, wieder nach Deutschland zu reisen: „Wir waren sehr vorsichtig. Wir sagten den Rückkehrern, dass sie zunächst für 14 Tage zu Hause bleiben sollten – zur Sicherheit, falls sie sich angesteckt haben. In diesen zwei Wochen haben wir uns dreimal täglich nach ihrem Gesundheitszustand erkundigt. Wir haben auch angeboten, ihre Einkäufe zu erledigen.“

Es entstand eine Liste mit kürzlich eingetroffenen und noch erwarteten Rückkehrern, die Tang auch an die Stadtverwaltung und das International Office kommuniziert hat: „Wir haben intensiv dafür gearbeitet, Sorge zu tragen und daran, dass sich niemand durch uns gefährdet fühlen muss.“ Auch mit dem Gesundheitsamt stand er später im Kontakt und hat Tests organisiert. „Ein Student kam aus der Hubei-Provinz, in der auch Wuhan liegt – also damals ein absolutes Hochrisiko-Gebiet. Da waren wir alle selbst aufgeregt und haben es besonders genau genommen mit unseren Maßnahmen“, erinnert er sich.

Am Ende hatten die Studierenden Glück: Keiner der Rückkehrer wurde positiv auf das Coronavirus getestet, sagt Tang. Er und die weiteren Mitglieder der Gesellschaft haben sich jedoch nicht nur um die Rückkehrer, sondern auch um die in Halle gebliebenen Studierenden gekümmert: „Natürlich hatten alle Angst vor einer Infektion. Deswegen habe ich Kontakt zu einem chinesischen Unternehmen aufgenommen, das uns mit medizinischem Mundschutz versorgte. Das war zu einer Zeit, in der in Deutschland noch nicht über die Maskenpflicht diskutiert wurde.“ Anfang April schickte sogar die Botschaft der Volksrepublik China in Berlin „Gesundheitspakete“ mit weiteren Mund-Nasen-Bedeckungen und Desinfektionsmittel nach Halle, die Tang und seine Mitstreiter an die Studierenden verteilten.

Etwa zehn Studierende konnten ihren Rückflug aus der Heimat wegen eines zwischenzeitlichen Ausreiseverbots nicht antreten, erzählt Tang. „Sie meldeten sich bei uns und fragten, ob wir nicht etwas tun können – aber uns waren die Hände gebunden.“ Laut Tang sind mittlerweile wieder alle in Halle. Neue chinesische Studierende seien im Sommersemester allerdings nicht dazugekommen. Wegen der Einreisebestimmungen in Deutschland habe ein Visum in letzter Zeit nicht beantragt werden können. „Wir werden sehen, was das nächste Semester bringt“, sagt Tang. „Aber wir haben uns bisher ganz gut geschlagen, denke ich.“

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Corona-Pandemie

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