Vom Hörsaal in den Schützengraben: Ausstellung zeigt Universität im Ersten Weltkrieg

21.10.2014 von Ines Godazgar in Studium und Lehre, Varia, Campus
Wer heute Anfang 20 ist, kann die Vorzüge des Studentenlebens in vollen Zügen genießen. Vor 100 Jahren wäre das undenkbar gewesen. Damals lagen über Deutschland und weiten Teilen Europas die Schatten des Krieges, und sie reichten in alle Bereiche der Gesellschaft hinein. Wie sehr, das zeigt eine Ausstellung, die am 22. Oktober im Universitätsmuseum offiziell eröffnet wird. „Trotz des Krieges!“ heißt sie und informiert in mehr als 100 Originaldokumenten darüber, wie es kurz vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg an der halleschen Universität aussah.
Auch eine Pickelhaube gehört zu den Exponaten der Ausstellung "Trotz des Krieges!", die morgen Abend im universitätsgebäude eröffnet wird.
Auch eine Pickelhaube gehört zu den Exponaten der Ausstellung "Trotz des Krieges!", die morgen Abend im universitätsgebäude eröffnet wird. (Foto: Michael Deutsch)

Zu sehen sind Fotos, Briefe, bürokratische Erlässe und universitärer Schriftverkehr sowie Plakate und Orden. Sie verdichten das von Universitätsarchivar Dr. Michael Ruprecht stammende Konzept der Ausstellung zu einem stimmigen Bild jener Zeit. Eine Zeit, in der die damals blühende und aufstrebende Universität durch den Krieg regelrecht amputiert wurde. Vor allem die in einem eigens für die Schau geformten Gang, der an einen Schützengraben erinnern soll, dargestellten Einzelschicksale sind es, die diese Diagnose eindrucksvoll verdeutlichen: Historische Fotos, wie das des Romanistik-Professors Karl Voretzsch, der sich freiwillig an die Front meldete und im Feld Motivationsvorträge für die Soldaten hielt.

Sein Stolz, endlich an der ersten Frontlinie in Frankreich angekommen zu sein, ist auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1916 deutlich zu sehen. „Damit war Voretzsch keine Ausnahme“, sagt Historiker Michael Ruprecht. „Sein Verhalten war damals Ehrensache. Es war der Geist dieser Zeit.“

Die meisten der Ausstellungsstücke stammen aus dem Universitätsarchiv. Gemeinsam mit zwei Mitarbeitern und fünf Studenten hat sich der Archiv-Chef dort auf Recherche begeben und dabei etliche Dokumente zu Tage gefördert, deren Inhalte für sich sprechen: Erlässe sind darunter, zum Beispiel jener mit dem Vermerk „Geheim“ versehene, der auf den 24. Juli 1916 datiert ist, und vom Kurator der Universität direkt an den Dekan der Medizinischen Fakultät ging. Liest man das bürokratisch abgefasste Schriftstück richtig, wird schnell deutlich, dass es sich dabei um einen ziemlich direkten Eingriff in die Freiheit der Forschung handelt. Denn die Wissenschaftler werden dazu aufgefordert, in den Instituten für die Forschung notwendige Metalle zu sparen, um die Mobilmachung und das Kriegsgeschehen nicht zu gefährden.

Der Student Hermann Reinhold zog als Soldat in den Krieg und überlebte. Seine Feldbriefe sind in der Ausstellung zu sehen.
Der Student Hermann Reinhold zog als Soldat in den Krieg und überlebte. Seine Feldbriefe sind in der Ausstellung zu sehen. (Foto: Michael Deutsch)

Aber auch eher banale Dinge finden sich in der Ausstellung, etwa ein Plakat, das zur damaligen Zeit in öffentlichen Einrichtungen, und damit auch an der Universität aushing: „Spare Seife“, steht da versehen mit einer Handlungsanweisung zum sparsamen Händewaschen. Absender war der Kriegsausschuss für Öle und Fette. Knapper werdende Ressourcen verraten auch diverse andere Mitteilungen, etwa eine, wonach die Vorlesungszeiten dem Tageslicht angepasst werden müssen, und eine andere, die den Anbau von Obst und Gemüse auf allen brachliegenden Flächen der Universität anordnet.

„Der Eingriff in das universitäre Leben und Forschen war immens“, sagt Michael Ruprecht, dem es gelungen ist, im Zuge der Recherchen für diese Ausstellung mit dem Sohn eines Studenten von damals in Kontakt zu treten. Günther Reinhold, inzwischen 91 Jahre alt, ist der Spross des Naturwissenschaftlers Hermann Reinhold, der zu Kriegsbeginn 21 Jahre alt war und an die Front ging. Dort eroberte er als einer der ersten ein französisches Geschütz, was ihm später den Spitznamen „Kanonen-Reinhold“ einbrachte.

Seine Briefe aus dem Feld sind zu großen Teilen erhalten geblieben und wurden später durch den Sohn als Buch veröffentlicht. Sie bestechen durch ihre einfachen Botschaften, eine klare Sprache, aber auch durch die Banalität und zugleich die Ungeheuerlichkeit des Geschriebenen. Ein Beispiel: „Mehr als Sterben kann man nicht.“ – Es sind verstörende Aussagen wie diese, die Historiker Michael Ruprecht zur Dokumentation der einzelnen Bereiche der Ausstellung ausgewählt hat. Mit ihnen, so Ruprecht, „lässt sich die Wirkung des Krieges auf den Einzelnen verdeutlichen.“

Hermann Reinhold hatte übrigens Glück. Er überlebte den Krieg, habilitierte sich später an der Uni Halle und wurde Professor in Gießen. Dass ein solcher Weg nicht allen Kriegsteilnehmern vergönnt war, belegen die Zahlen: Rund 600 Studenten und Dozenten der hiesigen Universität sind dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Der Tod wütete damit ganz massiv in einer Altersgruppe, in der er normalerweise nichts zu suchen hat. Michael Ruprecht: „Auch daran wollen wir mit dieser Ausstellung erinnern.“

Informationen zur Ausstellung

"Trotz des Krieges! Die Universität Halle im Ersten Weltkrieg" ist vom 23. Oktober 2014 bis zum 15. Februar 2015 im Universitätsmuseum im Löwengebäude, Universitätsplatz 11, 06108 Halle zu sehen. Das Museum ist dienstags bis freitags von 11 bis 13 Uhr und 14 bis 18 Uhr; So von 14 bis 18 Uhr geöffnet; an Feiertagen geschlossen. Der Eintritt ist frei.

Führungen finden statt am 9. November, 7. Dezember 2014 und 11. Januar 2015 jeweils um 15 Uhr, weitere Führungen sind auf Anfrage möglich.

Vernissage am 22. Oktober um 18 Uhr, Finissage am 15. Februar 2015 um 15 Uhr

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