Schimpf und Schande: Studierende gestalten Ausstellung zu Schimpfwörtern

25.09.2025 von Susann Trapp in Varia, Studium und Lehre
Ob im Mittelalter oder heute: Schimpfwörter sind Ausdruck von Emotionen und Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse. Zum zweiten Mal hat Dr. Andrea Seidel gemeinsam mit Studierenden der MLU eine Ausstellung dazu gestaltet, diesmal in Kooperation mit dem Stadtarchiv Leipzig. „Schimpf und Schande – Eine Reise durch die Kulturgeschichte des Schimpfens“ wird Ende September eröffnet. Im Interview erklärt die Altgermanistin die Hintergründe.
Andrea Seidel - hier bei der ersten Ausstellung 2022 im Löwengebäude - hat mit ihren Studierenden erneut zum Thema Schimpfwörter gearbeitet, diesmal im Leipziger Stadtarchiv.
Andrea Seidel - hier bei der ersten Ausstellung 2022 im Löwengebäude - hat mit ihren Studierenden erneut zum Thema Schimpfwörter gearbeitet, diesmal im Leipziger Stadtarchiv. (Foto: Markus Scholz)

Sie beschäftigen sich schon länger mit Schimpfwörtern und haben dazu bereits 2022 eine Ausstellung für die MLU entwickelt. Was macht Schimpfwörter für Sie spannend – und wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Leipzig?
Andrea Seidel: Geschimpft wurde immer. Schimpfwörter gehören zu unserer Sprache, sind Ausdruck von Emotionen wie Wut, Empörung oder Unsicherheiten. Und: Sprache wandelt sich, das zeigt sich auch an Schimpfwörtern. Ich untersuche sie sowohl in historischen Quellen als auch in Bezug zur Gegenwart.

Unsere erste Ausstellung „Spotten – Schmähen – Schelten. Die Kraft der Sprache“, die gemeinsam mit MLU-Kustos Dr. Dirk Schaal gestaltet wurde, kam im Löwengebäude der Uni und später in der Laurentiuskirche Bad Dürrenberg außerordentlich gut an. Dr. Michael Ruprecht, ehemaliger Kustos der Universität und heute Direktor des Stadtarchivs Leipzig, hat mich dann gefragt, ob ich mit Studierenden die Ausstellung mit Material aus dem Leipziger Archiv neugestalten kann. Darauf habe ich mich gerne eingelassen.

Warum, was war für Sie die neue Faszination? 
In Halle haben wir uns noch stark auf den theoretischen Aspekt konzentriert. Jetzt konnten wir mit den Archivalien arbeiten. Für uns war das ein Glücksfall, weil uns konkrete Zeugnisse sprachlicher Äußerungen vorlagen. Die nun erstmals öffentlich ausgestellten polizeilichen Ermittlungsakten, Schandzettel – öffentlich ausgehängte Zettel, auf denen Vergehen einer Person aufgeführt wurden, um sie vor anderen bloßzustellen – und Schmähschriften zeigen beispielhaft, wie Schimpfwörter in unterschiedlichen Zeiten verwendet, dokumentiert und sanktioniert wurden.

Wie sah die Arbeit an der Ausstellung konkret aus?
Auch diesmal ist sie gemeinsam mit Studierenden entstanden. Ein Semester lang konnten wir die historischen Quellen lesen: Die Studierenden haben die teils schwer lesbaren Handschriften entziffert und die Ausstellungstexte dazu aufbereitet, die begleitend in einer Broschüre erscheinen. Für sie war es auch eine große Wertschätzung, die Akten des Leipziger Stadtarchivs erschließen zu dürfen.

Können Sie Beispiele nennen, was Besucherinnen und Besucher sehen werden?
In der Ausstellung wollen wir zeigen, wie sich die Kulturgeschichte des Schimpfens entwickelt hat: von kuriosen Schmähschriften der Reformationszeit bis zur Jugendsprache von heute. Die älteste ausgestellte Quelle ist ein Erlass von 1549. In diesem ordnet Kurfürst Moritz von Sachsen an, dass jegliche Veröffentlichung frei von Schmähung, Verleumdung und Ehrverletzung sein muss und anderenfalls nicht gekauft werden darf. Das ist ein hervorragender Beleg dafür, dass ein Bewusstsein für Schimpfwörter und ihre Wirkung schon früh vorhanden war. In einem anderen Fall geht es um einen Handwerksgesellen, der steckbrieflich gesucht wurde, weil er die Werkstatt seines Meisters „verschimpfte“ und danach aus Leipzig floh.

Von diesen historischen Beispielen spannt die Ausstellung den Bogen in die Gegenwart. Besonders interessant sind die Ergebnisse einer Online-Umfrage, die die Studierenden zu Schimpfwörtern durchgeführt haben, die speziell in Leipzig verbreitet sind. Der Hintergrund dafür: Dialekt schafft Nähe, klingt oft harmlos, kann aber trotzdem verletzen. Darüber hinaus gibt es ein kleines „Best of“ der beliebtesten Schimpfwörter. Auch aktuelle Formen digitaler Kommunikation finden ihren Platz.
 

Zur Ausstellung

„Schimpf und Schande“ – Eine Reise durch die Kulturgeschichte des Schimpfens
30. September 2025 bis 29. Januar 2026 
Montag 12 bis 18 Uhr und Dienstag bis Donnerstag 9 bis 18 Uhr 
Stadtarchiv Leipzig
Str. des 18. Oktober 42
04103 Leipzig

Eröffnung am Montag, 29. September 2025, 18 Uhr

Schlagwörter

Germanistik

Weitere Artikel zum Thema

Kommentar schreiben

Auf unserer Webseite werden Cookies gemäß unserer Datenschutzerklärung verwendet. Wenn Sie weiter auf diesen Seiten surfen, erklären Sie sich damit einverstanden. Einverstanden