Neue Erkenntnisse zu Bakterienjägern

18.07.2023 von Wenke Dargel in Wissenschaft, Forschung
Dem halleschen Proteinforscher Prof. Dr. Milton T. Stubbs ist kürzlich eine besondere Ehre zuteilgeworden. Für das renommierte Wissenschaftsmagazin „Science“ kommentiert er gemeinsam mit seinem MLU-Kollegen Prof. Dr. Jochen Balbach eine neue Studie, die in dem Journal erschienen ist. Darin beschreibt ein Team aus den USA erstmals einen beeindruckenden Vorgang: Wie es einem Bakteriophagen – einer Art Bakterienvirus – gelingt, seinen Wirt zum Platzen zu bringen.
Ein Bakteriophage auf einem Bakterium. Die Viren können einzelne Bakterienstämme befallen und töten
Ein Bakteriophage auf einem Bakterium. Die Viren können einzelne Bakterienstämme befallen und töten (Foto: peterschreiber.media / stock.adobe.com)

Bakteriophagen (oder kurz: Phagen) sind die natürlichen Feinde der Bakterien. Die Viren können einzelne Bakterienstämme befallen und töten – ohne Antibiotika. Wie ihnen das genau gelingt, war bisher unklar. „Seit Langem ist bekannt gewesen, welche Proteine an diesem Prozess beteiligt sind. Nur wie diese den Tod des Bakteriums verursacht haben, wusste man bisher nicht. Man kannte also alle Teile des Puzzles, wusste aber nicht, wie sie zusammengehören“, sagt Prof. Dr. Milton T. Stubbs. Er forscht seit vielen Jahren zu Proteinen, die sich in Menschen, Pflanzen und Bakterien befinden. Dazu gehört auch das Protein SlyD, das für Bakteriophagen und auch die von ihm kommentierte „Science“-Studie eine wichtige Rolle spielt: In dem neuen Artikel beschreibt ein Team des California Institute of Technology, wie ein Phage Bakterien tötet, indem er sie aufplatzen lässt. Demnach befällt der Phage ΦX174 das Bakterium E. coli und sorgt dafür, dass dieses ein neues Protein herstellt – das Protein E. In Kombination mit zwei weiteren bakteriellen Proteinen, SlyD und dem Membranprotein MraY, setzt das Protein E einen für das Bakterium tödlichen Prozess in Gang: Es verhindert, dass das Bakterium neue Bausteine für seine Zellwand bauen kann. Dadurch wird es instabil und kann letztlich nicht mehr seinem eigenen Zellinnendruck standhalten – bis es quasi explodiert.

Milton Stubbs
Milton Stubbs (Foto: Maike Glöckner)

Bereits 2010 hatte Stubbs gemeinsam mit MLU-Biophysiker Prof. Dr. Jochen Balbach die Struktur von SlyD erstmals beschrieben. „Damals wussten wir zwar schon, dass SlyD daran beteiligt ist, E. coli-Bakterien zu töten. Aber erst jetzt ergibt sich aus der neuen Studie ein komplettes, komplexes Bild“, so Stubbs. Bakteriophagen sind in der Wissenschaft seit Langem bekannt: Bereits vor mehr als 100 Jahren hatte man ihre Existenz und Wirkung gegen Bakterien beschrieben, auch wenn man sie damals noch nicht direkt beobachten konnte. Mit dem Aufkommen von Penizillin als erstem kommerziell verfügbarem Antibiotikum gerieten die Phagen jedoch vielerorts in Vergessenheit. „Heute spielt die Forschung zu Phagen wieder eine größere Rolle, weil sie eine Alternative zu Antibiotika darstellen könnten“, erklärt Stubbs.

Die neue Studie, die er in „Science“ kommentiert, hält er für sehr interessant, denn: „Das Verständnis des molekularen Mechanismus, mit dem ein Phage Bakterien tötet, eröffnet theoretisch die Möglichkeit, Phagen zu entwickeln, die Krankheitserreger vernichten können.“ Außerdem biete sich so zusätzlich die Möglichkeit, Phagen, die bestimmte Krankheitserreger befallen, mit diesem Mechanismus auszustatten. So könnten sich beispielsweise gezielt antibiotikaresistente Bakterien bekämpfen lassen. „Allerdings ist in dieser Arbeit nur der Mechanismus aufgeklärt worden, eine baldige Anwendung kann daraus nicht abgeleitet werden“, so Stubbs abschließend.

Kommentar schreiben

Auf unserer Webseite werden Cookies gemäß unserer Datenschutzerklärung verwendet. Wenn Sie weiter auf diesen Seiten surfen, erklären Sie sich damit einverstanden. Einverstanden