Neue Ausstellung gibt Einblicke in die Geschichte der Frauen an der Universität

13.11.2015 von Tom Leonhardt in Varia
Dorothea Erxleben, Gertrud Küster, Paula Hertwig – sie gehören zu den wichtigen Frauen der halleschen Universitätsgeschichte. Erxleben wurde 1754 als erste Frau in ganz Deutschland promoviert. Gertrud Küster war 1908 Halles erste Studentin, Hertwig 1946 die erste Professorin. Die neue Ausstellung, die seit heute im Unimuseum zu sehen ist, widmet sich der über 200-jährigen Geschichte der Frauen an der Universität.
Eine Pionierin zwischen Alt-Rektoren: Für die Ausstellung "Frauen an der Uni Halle" wurde das Bild von Dorothea Erxleben zwischen den Professoren-Porträts angebracht.
Eine Pionierin zwischen Alt-Rektoren: Für die Ausstellung "Frauen an der Uni Halle" wurde das Bild von Dorothea Erxleben zwischen den Professoren-Porträts angebracht. (Foto: Michael Deutsch)

Wahrscheinlich fällt der Hingucker erst beim zweiten Blick in die Ausstellung richtig auf. Im historischen Sessionssaal der Universität hängen die Porträts zahlreicher Alt-Rektoren an den Wänden. Mittendrin: Dorothea Erxleben, Deutschlands erste promovierte Medizinerin, deren 300. Geburtstag Uniklinikum, Universität und die Ärztekammer Sachsen-Anhalt am Freitag, 13. November, mit einem Festakt feiern. Zahlreiche Dokumente zum Promotionsvorgang der gebürtigen Quedlinburgerin sind in den Vitrinen neben ihrer Büste zu sehen. „Dazu gehört auch der Erlass des preußischen Königs Friedrich II. Dorothea Erxleben zu promovieren“, berichtet Archiv- und Kustodieleiter Dr. Michael Ruprecht, der die Ausstellung kuratiert hat. Einige dieser Papiere stammen aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und werden zum ersten Mal in Halle ausgestellt.

Von der Promotion Erxlebens bis hin zu den ersten 22 Studentinnen an der Universität Halle im Wintersemester 1908/09 dauert es noch über 150 Jahre. Die Ausstellung nimmt den Besucher auf eine Reise mit - anhand von Originaldokumenten, einzelnen Lebensläufen und weiteren Fundstücken durch die Entwicklungen der letzten 200 Jahre. Dazu gehört auch die Gedenkmedaille für Christiana Mariana von Ziegler.

1733 erhielt sie von der Universität in Wittenberg als erste Frau überhaupt den kaiserlichen Literaturpreis, die poetische Dichterkrone von einer Hochschule. Von Ziegler veröffentlichte unter anderem Gedichte und Texte, in denen sie für die Gleichwertigkeit der Frauen stritt. „Für diese Entscheidung erhielt die Wittenberger Universität auch viel Kritik, zum Beispiel Schmähschriften von Leipziger Studenten“, so Ruprecht weiter.

Erxleben-Büste
Erxleben-Büste (Foto: Michael Deutsch)

Mit diesen beiden Entscheidungen in Halle und Wittenberg nahmen die beiden Universitäten eine Vorreiterrolle im 18. Jahrhundert ein. Dass es dann noch einmal über ein Jahrhundert dauern sollte, bis Frauen in Halle studieren durften, sei vor allem dem damaligen Zeitgeist geschuldet. Dieser spiegelt sich auch in den Statuten der Universität von 1854 wider, die ebenfalls im Sessionssaal zu sehen sind. Dort heißt es in Paragraph 1: "Die Universität ist der Bildung von Jünglingen verpflichtet".

„Dass Frauen Ende des 19. Jahrhunderts als Gasthörerinnen an die Universität in Halle kamen, ist dem Engagement einzelner Personen zu verdanken“, berichtet Ruprecht weiter. Dazu gehören der Theologe Willibald Beyschlag, der Historiker Gustaf Droysen und auch der Jurist Franz von Liszt. Als Rektor ermunterte Beyschlag Droysen inoffiziell dazu, eine Frau als Gasthörerin an dessen Vorlesung teilnehmen zu lassen. Von Liszt ging in seiner Zeit als Rektor der Univerität sogar noch einen Schritt weiter und ließ Frauen 1895 ohne Zustimmung des preußischen Kultusministeriums als Gasthörerinnen in Halle zu. Das wurde ihm wenig später vom Ministerium untersagt. 1896 konnten Frauen dann offiziell als Gasthörerinnen an Vorlesungen teilnehmen.

Es sollte aber noch eine Zeit dauern, bis Frauen regulär als Studentinnen immatrikuliert werden konnten: Nach einigem Widerstand seitens der Hochschulen verabschiedete das preußische Kultusministerium 1908 einen Erlass, Frauen zuzulassen. Im Matrikelbuch für 1908 stammt der erste Eintrag für dieses Semester erstmals von einer Frau: Die Hallenserin Gertrud Küster schrieb sich als erste von 22 Frauen für das Studium im Wintersemester 1908/09 in Halle ein. Küsters Studienbuch verrät noch eine weitere Geschichte: „Bei einigen Vorlesungen sieht man, dass Gertrud Küster vom Vorlesungsbeitrag befreit war. Sie musste also keine Gebühr zahlen“, so Ruprecht. Die Vorlesungen hielt Ernst Küster – ihr Mann, mit dem sie 1909 nach zwei Semestern die Saalestadt verließ und nach Kiel zog.

Weitere Stücke der Ausstellung beschäftigen sich mit der 1923 ersten habilitierten Frau an der Uni Halle, der Indologin Betty Heimann oder mit der Biologin Paula Hertwig, die 1946 die erste Professorin der Hochschule war und überhaupt als Dekanin der Medizinischen Fakultät erste Dekanin Deutschlands wurde. Heute, so Ruprecht, sei es befremdlich, dass Frauen erst vor 107 Jahren ein Studium an der Universität aufnehmen durften. Den 22 neuen Studentinnen standen 1908 übrigens 2.500 männliche Kommilitonen gegenüber. „Man muss den Mut der Frauen bewundern, die sich gleich zu Beginn an der Universität eingeschrieben und in eine bis dahin existierende Männerdomäne vorgewagt haben.“

Informationen zur Ausstellung

Die Ausstellung ist im Sessionssaal im Löwengebäude, Universitätsplatz 11, 06108 Halle zu sehen. Sie ist von Dienstag bis Freitag je von 11 bis 13 Uhr und von 14 bis 18 Uhr sowie sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Am 24. und 31.Dezember ist das Gebäude geschlossen. Die Finissage findet am 24. Januar 2016 um 15 Uhr statt.

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