Exzellente Kooperation: Daniel Fulda an Cluster in Jena beteiligt

23.06.2025 von Susann Trapp in Wissenschaft, Personalia
Die Universität Halle ist ab 2026 nicht nur Standort eines eigenen Exzellenzclusters, sondern ist gleichzeitig auch am Exzellenzcluster „Imaginamics: Practices and Dynamics of Social Imagining“ der Universität Jena beteiligt. Dort bringt sich Literaturwissenschaftler und Aufklärungsforscher Prof. Dr. Daniel Fulda ein. Im Interview spricht er über seine Beteiligung und darüber, warum Aufklärungsforschung für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen relevant ist.
Daniel Fulda ist am Jenaer Exzellenzcluster "Imaginamics: Practices and Dynamics of Social Imagining" beteiligt.
Daniel Fulda ist am Jenaer Exzellenzcluster "Imaginamics: Practices and Dynamics of Social Imagining" beteiligt. (Foto: Vincent Leifer / Alfred Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald)

Wie ist Ihre Beteiligung an einem Exzellenzcluster in Jena zustande gekommen? 
Daniel Fulda: Am Exzellenzcluster der Universität Jena sind mehrere Universitäten beteiligt; gerade mit der MLU besteht eine lange Kooperation in den Sozial- und Geisteswissenschaften: Es gab bereits einen gemeinsamen Sonderforschungsbereich sowie gemeinschaftliche Cluster-Anträge. Dass ich gefragt worden bin, hat sicherlich damit zu tun, dass Halle in der Aufklärungsforschung einen herausragenden Ruf hat, sowohl national als auch international. 

Das Cluster trägt den Titel „Imaginamics: Practices and Dynamics of Social Imagining“. Worum geht es? 
Praktiken des sozialen Imaginierens produzieren Weltbilder und Zukunftsvorstellungen, die von vielen Menschen geteilt werden. Je stärker diese Vorstellungen gelebt und dabei reproduziert oder transformiert werden, desto mehr handelt es sich um soziale Imaginationen. Die zentrale Frage des Clusters lautet, in welcher Weise diese geteilten Vorstellungen es ermöglichen, dass Gesellschaft als Gesellschaft funktioniert, und wie zum Beispiel Konflikte entstehen oder gelöst werden können. 

Wie passt da ein Literaturwissenschaftler hinein? 
Als Kulturwissenschaftler liegt meine Expertise bei der sprachlichen oder bildlichen Ausgestaltung sozialer Imaginationen. Wir können nicht direkt in den Kopf der Menschen schauen, aber wir können beobachten, wie sie handeln, welche Medien sie nutzen, welche Geschichten sie erzählen und welche Bilder sie produzieren. Sowohl die konkrete als auch die vorgestellte Bildlichkeit sozialer Imaginationen wurde bisher zu wenig beachtet. Wir wollen wissen, was Imaginationen auszeichnet, die als Vorstellungsbilder überzeugen und deshalb sozial wirksam werden. 

Was ist das Ziel Ihrer Forschung im Rahmen dieses Clusters?
Ich werde die Arbeitsgruppe „Enlightenment Now!?“ leiten. Dabei ist nicht die historische Aufklärung des 18. Jahrhunderts gemeint, sondern wir untersuchen aktuelle Aufklärungsvorstellungen und deren Rolle in der heutigen Gesellschaft und Politik. Ziel ist es, zu verstehen, wie ein historisch geprägtes Vorstellungsrepertoire mit gegenwärtigen Problemstellungen korreliert und welche Zukunftsperspektiven sich dadurch eröffnen.

Wie gehen Sie vor, um Aufklärungsvorstellungen mit dieser Leitfrage zu erforschen?
Geplant ist vor allem eine Analyse der Mediennutzung, insbesondere von Social Media, da diese Plattformen heute zentrale Orte für die Produktion, Verbreitung und Rezeption von bildhaften Vorstellungen sind. Dazu kooperieren wir mit Universitäten und Wissenschaftlern weltweit. Es geht also auch darum, die traditionelle Textfixierung der meisten Geisteswissenschaften aufzubrechen. 

Wie verbindet sich das mit den drängenden gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit?
Die Fragen, wie soziale Imaginationen entstehen, wie sie funktionieren und wie sie sich verändern, sind auch politisch. Wir gehen davon aus, dass Imaginationen und deren soziale Verfertigung eine entscheidende Rolle für gesellschaftliche Selbstbilder und Konflikte spielen, wie sie sich in der Gegenwart zu verschärfen scheinen. Gesellschaftlicher Zusammenhalt funktioniert genau dann, wenn Individuen eine Vorstellung davon haben, dass sie mit anderen etwas teilen. Deswegen eröffnet das Clusterthema neue Zugriffe auf gegenwartsaktuelle Themen wie gesellschaftliche Polarisierung, Zukunftsängste, globale Ungleichheit oder Rechtspopulismus. Wir hoffen, dass die bessere Erkenntnis von ‚Imaginationsmechanismen‘ zu einem bewussteren und aufgeklärteren Umgang mit ihnen führen kann. Ein erheblicher Teil der Clusterarbeit wird jedenfalls darauf ausgerichtet sein, nicht nur Einzelerkenntnisse zu produzieren, sondern diese auch zu starken Botschaften an die Wissenschaft, die Politik und die Öffentlichkeit zu bündeln.

Welche spannenden Möglichkeiten ergeben sich aus Ihrer Kooperation für unsere Universität?
Wer in der MLU zu den Themen des Clusters arbeitet, kann dort Mitglied werden und sich um finanzielle Unterstützung bewerben. Zu unseren Profillinien „Transformation“ und „Wissenskulturen und Bildung“ passt das Clusterthema bestens. Bereits im Antrag verankert ist die Zusammenarbeit mit dem hiesigen Graduiertenkolleg „Politik der Aufklärung“, das von Prof. Dr. Elisabeth Décultot geleitet wird. Die Kollegiaten werden die Möglichkeit haben, sich in das Cluster einzubringen. Das Thema ist zudem Teil meiner Lehre, so werden auch Studierende der MLU beteiligt.

Aus der Vita

  • 1966 in Frankfurt am Main geboren
  • 1986–1991 Studium der Geschichte, Germanistik, Historischen Hilfswissenschaften und Pädagogik in Köln
  • 1995 Promotion, 2003 Habilitation
  • seit 2007 Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der MLU
  • 2007–2020 Geschäftsführender Direktor des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der europäischen Aufklärung (IZEA) an der MLU
  • Gastprofessuren an der University of Notre Dame (USA), in Paris (EPHE und EHESS) und Lyon (ENS).
  • seit 2016 Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAW), seit 2023 Co-Leiter des Langzeit-Editions- und Digitalisierungsprojektes „Propyläen – Forschungsplattform zu Goethes Biographica“ der SAW, der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Künste sowie der Klassik Stiftung Weimar
  • seit 2023 Präsident der International Society for Eighteenth Century Studies (ISECS)
  • 2024 Senior Fellow des Alfred Krupp Wissenschaftskollegs Greifswald mit dem Projekt „Aufklärung in/aus Bildern. Ein neuer Blick auf das 18. Jahrhundert“

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