Wachstum: Wie Pflanzen auf die globale Erwärmung reagieren

14.08.2015 von Tom Leonhardt in Forschung, Wissenschaft
Das Gen ELF3 beeinflusst maßgeblich, wie Pflanzen in ihrer Wachstumsphase auf hohe Temperaturen reagieren. Das hat ein internationales Team aus Wissenschaftlern unter Leitung des halleschen Pflanzenforschers Prof. Dr. Marcel Quint herausgefunden. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „BMC Plant Biology“ veröffentlicht und könnten dabei helfen, Pflanzen in Zukunft an die globale Erwärmung anzupassen.
Die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) wird in der Forschung häufig als Modellpflanze genutzt.
Die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) wird in der Forschung häufig als Modellpflanze genutzt. (Foto: Vasiliy Kovel - lia.com)

Die Hitzewelle der vergangenen Wochen macht nicht nur Tieren und Menschen zu schaffen, sondern auch den Pflanzen. 2014 gilt als bisher wärmstes Jahr seit Beginn der flächendeckenden Temperaturerfassung im Jahr 1881 und 2015 könnte sogar noch wärmer werden. Auch sehr junge Pflanzen, die gerade erst keimen, reagieren auf diese hohen Temperaturen: „Ihr Spross wächst länger, ihre Blätter sind schmaler und stehen weiter voneinander ab“, sagt Marcel Quint vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Uni Halle. Bei kühleren Temperaturen ist der Stängel der Pflanzen dagegen deutlich kürzer und auch ihre Blätter stehen enger beieinander. „Pflanzen versuchen, sich mit diesen Anpassungen abzukühlen“, fasst Quint zusammen.

Gemeinsam mit seinen Kollegen vom benachbarten Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie, mit Forschern aus Köln, den USA und Großbritannien hat er verglichen, wie Pflanzen bei unterschiedlichen Temperaturen wachsen. Pflanzen reagieren nämlich sehr sensibel auf Temperaturveränderungen: „Schon ein halbes Grad kann bei der Keimung entscheidend sein.“ Die Wissenschaftler wollten herausfinden, welche Gene im Erbgut der Pflanzen für diese Veränderungen verantwortlich sind. Untersucht haben sie das anhand der Ackerschmalwand, die in der Pflanzenforschung häufig als Modellorganismus verwendet wird. Das liegt daran, dass ihr Erbgut relativ klein ist und bereits seit 2000 komplett analysiert wurde.

Prof. Dr. Marcel Quint
Prof. Dr. Marcel Quint (Foto: Markus Scholz)

Für ihr Experiment haben die Wissenschaftler zunächst zwei Pflanzen der Ackerschmalwand miteinander gekreuzt, die an sehr unterschiedlichen Orten gewachsen sind: Eine Pflanze stammte aus Bayreuth, die andere aus Tadschikistan. „Die Pflanze aus Bayreuth hat bei höheren Temperaturen ein relativ schwaches Streckungswachstum, die Pflanze aus Tadschikistan hingegen einen deutlich längeren Spross.“

Die neu gezüchteten Keimlinge wurden dann bei entweder 20 oder 28 Grad angepflanzt und ihre Entwicklung beobachtet. Einige der Pflanzen konnten trotz der hohen Temperaturen keine langen Sprosse entwickeln, andere hingegen schon. Über den Vergleich bestimmter Stellen im Erbgut der Pflanzen konnte die Gruppe dann ein Gen ausmachen, das eine zentrale Position beim Wachstum der Pflanzen einnimmt. „Das Gen ELF3 ist Teil eines Netzwerks an Genen, die das Wachstum der Pflanzen beeinflussen können“, erläutert Quint. Interessanter Weise sei das Gen nur in der Nacht aktiv.

Diese Erkenntnisse sollen nun auch an weiteren Nutzpflanzen erprobt und erforscht werden. Als nächste Pflanze hat Quint die Gerste im Blick. „Die Anpassungen der Pflanzen an die höheren Temperaturen hat nicht nur Vorteile: Durch den längeren Spross wird die Pflanze instabiler und die veränderte Blattform sorgt für weniger Ertrag.“ Diese Eigenschaften könnten, so Quint, in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten Probleme mit sich bringen, wenn es immer wärmer wird. Ziel sei es also, den Mechanismus noch besser zu verstehen und ihn letztlich auch kontrollieren zu können.

Gen für temperaturinduziertes Wachstum im Licht gefunden

Einige Monate zuvor hatten die Forscher eine andere Versuchsreihe abgeschlossen, in der sie das Erbgut von über 50.000 Keimlingen der Acker-Schmalwand an einigen Stellen veränderten und diese dann ebenso unter erhöhten Temperaturen keimen ließen. „Wir haben danach beobachtet, ob die Pflanzen trotzdem auf die erhöhte Temperatur reagieren konnten.“ Blieb das so genannte Streckungswachstum aus, konnten sich die Wissenschaftler sicher sein, den Gendefekt „an der richtigen Stelle“ herbeigeführt zu haben. So ließ sich über viele Versuche hinweg ein kompletter Signalweg bestehend aus zwei großen Proteinkomplexen und zwei Transkriptionsfaktoren ausmachen, der am Tag für das Wachstum der Pflanzen unter erhöhten Temperaturen eine wichtige Rolle spielt. Die Ergebnisse wurden im Journal „Cell Reports“ veröffentlicht.

Link zur Veröffentlichung in BMC Plant Biology

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Genetik

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