Praxis macht den Meister

06.06.2013 von Ines Godazgar in Im Fokus
Die Faustregel besagt, dass alle zehn Jahre die Hälfte des medizinischen Wissens als überholt gilt. Um auf dem Laufenden zu bleiben, müssen Ärzte standardisierte Behandlungsmethoden beherrschen und sich ständig weiterbilden. Doch wie schaffen Medizinstudierende den Einstieg in dieses schnelllebige System, dessen Beherrschung von so enormer Bedeutung ist? Im SkillsLab, das zum Dorothea-Erxleben-Lernzentrum gehört, werden die Grundlagen für den Einsatz in der Praxis gelegt. Denn klar ist auch: Je sicherer die angehenden Mediziner sich im Umgang mit den Methoden fühlen, umso leichter fällt ihnen später der Kontakt zu richtigen Patienten.
Üben an der Schweinehälfte: Oberarzt Dr. Manfred Herrmann zeigt einer Studentin im SkillsLab, wie man eine Drainage legt.
Üben an der Schweinehälfte: Oberarzt Dr. Manfred Herrmann zeigt einer Studentin im SkillsLab, wie man eine Drainage legt. (Foto: Michael Deutsch)

Medizinische Laien mag der Gang über die Flure des SkillsLab etwas beklommen machen. Künden die Schilder auf den vielen Türen doch von Behandlungsmethoden, die sich vor allem zart besaitete Besucher wohl eher nicht im Detail vorstellen möchten: Harnblasenkatheder, Thoraxdrainage oder Endoskopie – so lauten nur einige der Aufschriften. Für die angehenden Ärzte, die hier während ihrer Ausbildung an der Martin-Luther-Universität Fähigkeiten und Fertigkeiten üben, sind die insgesamt 50 Stationen eine wichtige Hilfe, um sich auf den späteren Einsatz am Patienten vorzubereiten.

Wie misst man den Puls? Wie kontrolliert man Reflexe? Wie hört man den Brustkorb ab? Das sind wichtige Aspekte für den Einstieg. Handwerkszeug, das ab einem gewissen Punkt in der Ausbildung einfach sitzen muss. Der Vorteil im SkillsLab: Die Studenten können in einer geschützten Atmosphäre üben. Und sie dürfen Fehler machen. Fehler, die später in der Praxis nicht passieren dürfen.

„Die Kurse im SkillsLab sind für alle Studenten verpflichtend und sie sind für alle gleich“, sagt der Leiter der Einrichtung, Dr. Dietrich Stoevesandt, ein Radiologe. Bei der Vermittlung des Wissens an die Studenten habe man sich vorher auf geltende Standards geeinigt, auch damit später alle auf dem gleichen Niveau sind. „Dadurch gewinnen die Studenten Selbstvertrauen in das Gelernte. Das hilft ihnen, wenn sie erstmals mit richtigen Patienten in Kontakt kommen“, so Stoevesandt.

„Praxis ist alles“, sagt Medizinstudent Holger Bühler.
„Praxis ist alles“, sagt Medizinstudent Holger Bühler. (Foto: Michael Deutsch)

Die Ausbildung im SkillsLab läuft nach einer so genannten Lernspirale, was nichts anderes bedeutet, als dass die Kurse vom Einfachen zum Spezielleren laufen und sich damit am Fortschritt des Lernens orientieren. Soll heißen: Während die Studenten der unteren Semester einfache Fertigkeiten wie das Abhören trainieren, lernen die Fortgeschrittenen bereits speziellere Untersuchungsmethoden wie etwa die Durchführung von Endoskopien kennen. Angeleitet werden sie dabei übrigens von Gleichgesinnten.

Denn auch die Tutoren, die an den jeweiligen Stationen den Hut aufhaben, sind Studenten. „Das spart einerseits Personalkosten und ermöglicht so das Lernen in Kleingruppen, andererseits senkt es bei den Kursteilnehmern die Hemmschwelle“, erklärt Stoevesandt. Holger Bühler ist einer von ihnen. Der 28-jährige Berliner steht kurz vor dem sechsten Fachsemester, hat bereits eine Ausbildung als Krankenpfleger absolviert und sogar schon in einer Klinik gearbeitet. Nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrung hat man ihm einen Job als Tutor im SkillsLab angeboten. „Praxis ist alles“, sagt er.

Deshalb findet er die dortigen Angebote auch so wichtig. „Man kann nach vorheriger Anmeldung zusätzlich zum normalen Programm an den Stationen üben. Je mehr Sicherheit man dabei erlangt, umso souveräner wird man“, so Bühler. Die Anfänge des SkillsLab waren eher bescheiden. Lediglich sechs Stationen waren es zu Beginn, an denen die Studenten üben konnten. Nach und nach kamen weitere Stationen hinzu, auch weil der Wissenschaftsrat während einer Evaluation im Jahr 2008 mehr Praxis in der Ausbildung angemahnt hatte.

Im Oktober 2011 wurde das gesamte Lernzentrum neu eröffnet und seither ständig erweitert. Der Ausbau der Einrichtung ging einher mit vielen weiteren Veränderungen und Verbesserungen für Halles Medizinstudierende. So wurde auch die Ausbildungsordnung, das so genannte Curriculum erneuert.

Die Ausbildung im SkillsLab und die curriculare Lehre sind inzwischen gut aufeinander abgestimmt.
Die Ausbildung im SkillsLab und die curriculare Lehre sind inzwischen gut aufeinander abgestimmt. (Foto: Michael Deutsch)

Es ist jetzt interdisziplinär und erkrankungsspezifisch aufgebaut. Das bedeutet: Alle Aspekte einer Erkrankung – von den Symptomen bis zur Therapie – werden interdisziplinär gelehrt. Das jeweilige Krankheitsbild wird dabei eng mit den spezifischen Aspekten aus allen Teilbereichen der Medizin verknüpft. Auf diese Weise soll das Verständnis der Studierenden für eine Erkrankung sowie deren Diagnostik und Therapie verbessert werden. „Das bringt für das Lernen enorme Vorteile, der Stoff prägt sich dadurch einfach besser ein“, sagt Student Holger Bühler.

Ein weiterer Vorteil: Die Ausbildung im SkillsLab und die curriculare Lehre sind inzwischen gut aufeinander abgestimmt. Das bedeutet, wenn die Studenten laut Curriculum das Modul zum Thema „Lunge“ absolvieren, dann üben sie zeitgleich im SkillsLab etwa das Durchführen eines Lungenfunktionstests. Bei den Studenten kommt das neue System gut an. Und auch SkillsLab-Chef Stoevesandt ist zufrieden. Der 36-Jährige hat seinerzeit selbst in Halle Medizin studiert. Damals gab es noch kein SkillsLab und der Ausbildung fehlte es an praktischen und standardisierten Aspekten. „Die heutigen Studenten haben wesentlich bessere Bedingungen. Uns geht es darum, sie so vorzubereiten, dass sie in ihrem späteren Beruf kompetent handeln können.“

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