„Man muss ein Herz dafür haben“

08.12.2021 von Katrin Löwe in Campus
Fast 1.000 Deutschlandstipendien sind in den zehn Jahren seit dem Start des Förderprogramms an der Uni Halle ausgereicht worden. Katrin Rehschuh, Leiterin der Stabsstellen des Rektors, und Yvonne Hellwig-Laich aus der Abteilung Studium und Lehre waren in dieser Zeit die Ansprechpartnerinnen für Fördernde und Studierende. Ein Rückblick
Das Deutschlandstipendium - hier die Moderationskarte bei einer Übergabeveranstaltung - ist an der Uni ein Erfolgsprogramm.
Das Deutschlandstipendium - hier die Moderationskarte bei einer Übergabeveranstaltung - ist an der Uni ein Erfolgsprogramm. (Foto: Michael Deutsch)

Es sind Erfolgsgeschichten wie die der Mathematik-Studentin Alexandra-Aurelia Neamtu, die Yvonne Hellwig-Laich in Erinnerung bleiben. Mit 1,0 hatte sie das Bachelor-Studium in Rumänien und das Masterstudium an der Uni Halle abgeschlossen. „Das war der absolute Wahnsinn.“ Die junge Frau war eine der Studierenden, die in den Anfangsjahren des Programms über das Deutschlandstipendium gefördert wurden. Lange nach ihrem Studium ist es gelungen, sie noch einmal aufzuspüren: Mittlerweile war die Mathematikerin als Postdoktorandin an der TU München tätig. „Das hat mich beeindruckt und ich habe mich sehr gefreut, sie wiederzusehen“, sagt Hellwig-Laich. Inzwischen ist die ehemalige Stipendiatin Juniorprofessorin mit Tenure Track in Konstanz.

Geschichten wie diese kann die Mitarbeiterin der Abteilung Studium und Lehre heute einige erzählen. Seit Anfang 2012, also kurz nach dem Beginn des Deutschlandstipendien-Programms im Jahr zuvor, kümmert sie sich hauptsächlich um die geförderten Studierenden. Und wie bei der Mathematikerin kommt es immer wieder einmal zu erneuten Begegnungen. So hat sie vor kurzem auch einen jungen Mann getroffen, der sich 2015 auf das Programm beworben hatte – wegen fehlender Deutschkenntnisse noch auf Englisch. „Ein halbes Jahr später hatte er einen Riesensprung in der Sprache gemacht.“ Heute arbeitet der ehemalige Deutschlandstipendiat als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie in Halle. „Und er bedankt sich immer noch für das Stipendium“, sagt Hellwig-Laich.

Millionen für die Zukunft

Katrin Rehschuh
Katrin Rehschuh (Foto: Falk Wenzel)

995 Stipendien sind seit dem Start des Förderprogramms an der Uni Halle an sehr gute und engagierte Studierende vergeben worden. Für mindestens zwei Semester erhalten die Geförderten monatlich 300 Euro, zur Hälfte gestiftet von Privatpersonen, Unternehmen, Kirchen, Stiftungen oder Vereinen, zur anderen Hälfte bereitgestellt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. 1,79 Millionen Euro konnten so allein bei regionalen Fördernden eingeworben – und insgesamt damit mehr als 3,5 Millionen Euro ausgereicht werden. Eine beeindruckende Summe. Dabei war das Programm durchaus mit einiger Skepsis gestartet. „Die Ost-Hochschulen haben damals gesagt: Es wird schwierig“, erinnert sich Katrin Rehschuh. Weil die großen Firmen, also potentielle Stifter, ihren Hauptsitz eben nicht hier, sondern im Westen der Bundesrepublik haben – und dort dann auch die Stipendien vergeben wurden. „Wir spielten da keine Rolle.“ Bei den sogenannten „Global Playern“ konnte die Uni damals also nicht punkten. Etwas, was Rehschuh längst nicht mehr anficht, im Gegenteil. „Das Schöne und Positive an unserem Netzwerk ist, dass wir viele kleinere Förderer haben.“

Auf der ersten Übergabe-Veranstaltung hat Carola Schaar, damalige Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, die Festrede gehalten – die Interessensvertretung für Unternehmen im südlichen Sachsen-Anhalt wurde später selbst zur Stifterin und hat mit Beiträgen in ihren eigenen Medien dazu beigetragen, das Deutschlandstipendium in der Wirtschaft bekannt zu machen. Es sind potentielle Fördernde aus allen Bereichen der Gesellschaft angesprochen und angeschrieben worden, sagt Rehschuh. Bei der halleschen Ausbildungsmesse „Chance“ sei sie selbst von Stand zu Stand gegangen und habe Stifter gewonnen. Dazu sind Alumni der Universität gekommen, die sagen: „Ich tue etwas für die Universität, weil hier meine Wurzeln liegen.“

Immer im Gespräch

Gern denkt Rehschuh auch an einen privaten Förderer, der beim Bahnfahren in einer Zeitschrift von dem Programm und der Universität Halle gelesen hat und sich nach einem Besuch sowie einer Führung über den Uniplatz spontan für die MLU entschied, obwohl er selbst persönliche Kontakte zu einer Uni in Bayern hatte. Oder an die Stifterin, die das Vermächtnis ihres verstorbenen Mannes erfüllen möchte, der Professor an der MLU war.

97 kleine und mittelständische Unternehmen, Stiftungen, Kliniken, Vereine, Kirchen und Privatpersonen haben seit 2011 zum Fördernetzwerk der Uni gehört, 68 sind es im Wintersemester 2021/22. Von Anfang an ohne Unterbrechung dabei sind 14 Förderer. „Wir müssen uns immer wieder neu bemühen“, sagt Rehschuh. „Das ist kein Selbstläufer.“ So lege die Universität viel Wert darauf, mit den Fördernden im Gespräch zu bleiben, Veranstaltungsformate anzubieten, die ihnen das Gefühl vermitteln, zur Universität zu gehören. Denn: Mit dem Deutschlandstipendium und dem damit verbundenen Kontakt zu den Studierenden leisten die Stifterinnen und Stifter nicht nur einen Beitrag zur Nachwuchsförderung – oder zur Deckung ihres eigenen künftigen Personalbedarfs in Zeiten von Fachkräftemangel. Auch der Kontakt zu anderen Förderern, so hat es Rehschuh manchen Gesprächen entnommen, ist für sie von Bedeutung.

Steigerung trotz Pandemie

Yvonne Hellwig-Laich
Yvonne Hellwig-Laich (Foto: Falk Wenzel)

„Dass wir dranbleiben, hat sich bewährt, sei es durch einen Weihnachtsgruß, einen besonderen Kalender oder durch Einladungen zu Uni-Veranstaltungen“, sagt Yvonne Hellwig Laich. Beeindruckt ist sie vor diesem Hintergrund von der Entwicklung während der Pandemie. 2019 sank die Zahl der Stipendien von 94 auf 89. „Dann kam Corona und wir hatten ganz große Sorge, dass wir kaum Stipendien zusammenbekommen.“ Das Gegenteil trat ein: 116 Stipendien konnten 2020 vergeben werden. „Unglaublich, und das trotz Pandemie und der ganzen Unsicherheit für die Wirtschaft!“ Im Wintersemester 2021/22 wurde die Zahl sogar noch auf 120 gesteigert. Gestartet war die Uni am 12. Oktober 2011 mit 35 Stipendien. Den Geförderten wird eine finanzielle Unterstützung geboten, die ihnen dabei hilft, ihre Lebens- und Lernbedingungen zu verbessern. Auf Netzwerktreffen und im direkten, mitunter sehr intensiven Kontakt mit ihren Förderern, erhalten sie zudem regelmäßig Gelegenheit zum Austausch. Und nicht nur das: Yvonne Hellwig-Laich denkt zum Beispiel an einen stark sehbehinderten Stipendiaten, der auf der Suche nach einem Praktikumsplatz einfach nicht weiterkam. Sie konnte ihn zu einem der Förderer vermitteln. Inzwischen hat sie erfreuliches Feedback erhalten: „Es ist sogar ein zweites Praktikum geplant.“

Im November 2021 hat die Uni mit einer Präsenzveranstaltung in der Händel-Halle das zehnjährige Jubiläum des Förderprogramms gefeiert, auch mit ehemaligen Geförderten. Persönliche Erfolgsgeschichten wurden erzählt – auch für die MLU selbst und ihr Ansehen in der Region ist das Programm längst eine Erfolgsgeschichte. Wenn Katrin Rehschuh heute darauf angesprochen wird, zieht sie einen einfachen Vergleich mit Blick auf ihre eigene Vergangenheit als Leistungssportlerin, Vize-Junioren-Europameisterin im Speerwerfen und Olympiakader. „Mit dem Stipendienprogramm ist es wie im Leistungssport: Man muss ein Herz dafür haben, man muss es leben!“

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