Diskussion ums Defizit

11.10.2012 von Corinna Bertz in Hochschulpolitik, Campus
Über vier Stunden wurde intensiv diskutiert, nachgehakt und Stellung bezogen. Am Ende gelangte der Akademische Senat auf seiner gestrigen Sitzung zu einem Beschluss: Kriterien wurden festgelegt, nach denen Ausschreibungen für Professorenstellen bis April 2013 vorgenommen werden können. Die heikle Aufgabe, konkretes Einsparpotenzial zu benennen, steht dem Rektorat jedoch noch bevor. Zur Dezembersitzung soll ein Konzeptvorschlag vorgelegt werden.
"Es wurde intensiv und objektiv diskutiert." Rektor Udo Sträter zog nach der Senatssitzung ein positives Fazit.
"Es wurde intensiv und objektiv diskutiert." Rektor Udo Sträter zog nach der Senatssitzung ein positives Fazit. (Foto: Maike Glöckner)

Vor Beginn der Sondersitzung des Senats zeigte das Aktionsbündnis „MLU – Perspektiven gestalten“ vor der zur Burse zur Tulpe Präsenz. „Bildung hat ihren Preis“ war auf einem studentischen Plakat zu lesen, „Genug gespart!“ stand anderswo. Sprecher des Personalrats, Studierendenrats und von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft äußerten sich vor der Lokalpresse. „Die Proteste sind richtig, weil es um Stellenabbau geht. Es ist Aufgabe des Personalrats und der Gewerkschaften, hier mahnend zu sprechen“, meinte der Rektor dazu.

Nicht jeder fand an diesem Nachmittag im „Hallischen Saal“ einen Sitzplatz. Vor allem Studierende waren der Einladung des Aktionsbündnisses gefolgt. Auch Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter kamen zur Sondersitzung. Die Tagesordnung war überschaubar, schnell war der Rektor beim eigentlichen Thema Sitzung angelangt: dem Strukturanpassungskonzept, mit dem die Universität ihr 6 Millionen Euro-Defizit im Haushalt ausgleichen will. Im Juli hatte der Senat das Rektorat damit beauftragt, ein solches Konzept zu erarbeiten.

Viele Gespräche sind seitdem geführt worden – einen vorläufigen Stand lieferte das Rektorats-Papier, das dem Senat nun vorlag. „Dies ist ein Verlaufspapier, das die aktuelle Situation aufgreift“, betonte Udo Sträter zu Beginn. Er legte noch einmal seine Sicht der Dinge dar: „Das Defizit behindert diese Universität massiv. Wir müssen hier unsere Hausaufgaben endlich machen.“

Sträter skizzierte auch den zeitlichen Rahmen, in dem die Strukturdebatte geführt wird. Die Ergebnisse der Begutachtung durch den Wissenschaftsrat werden erst im nächsten Frühjahr vorliegen. Bei den Verhandlungen über die neuen Zielvereinbarungen zwischen Universität und Land, die spätestens im Herbst 2013 stattfinden, werden sie von großer Bedeutung sein. Im Oktober und November 2012 erwartet die MLU erneut Unterarbeitsgruppen des Wissenschaftsrates in Halle.

Von 6 auf 3 Millionen

Die Profildiskussion sei also noch nicht beendet. Sparvorschläge im Umfang von 6 Millionen Euro würden allerdings in die Struktur der Universität eingreifen. „Eine endgültige Debatte über die Einsparungen kann deshalb nicht vor Abschluss der Profildiskussion geführt werden. Den Auftrag des Senats kann das Rektorat somit nur partiell erfüllen“, schlussfolgerte Professor Sträter.

Die Empfehlung an den Senat laute deshalb, bis zur Dezember-Sitzung die Hälfte der erforderlichen Einsparsumme (rd. 3 Millionen Euro) durch den Wegfall von Stellen zu identifizieren, die bis 2019 frei werden. „Bei insgesamt 107 solcher Stellen ist ein gewisser Spielraum vorhanden.“ Es sollen Professuren benannt werden, deren Nichtwiederbesetzung die Strukturen der Universität nicht nachhaltig beschädige. Welche Stellen das sind, darüber müsse eine zweite Runde von Gesprächen folgen, u.a. in fakultätsübergreifenden Arbeitsgruppen.

Richard Schmidt verlas in seiner ersten Sitzung als Senator die Stellungnahme der studentischen Senatoren zu dieser Rektoratsempfehlung. Sie kritisierten u.a., dass die Studierenden bei der Erarbeitung des Papiers zu wenig einbezogen worden seien. Schmidt forderte eine transparente Diskussion, die auch konkreter werden müsse: „Offensichtlich sind die Absprachen in einigen Bereichen so weit fortgeschritten, dass konkrete Professuren klar sind. Wenn dem so ist, dann ist der Senat über diesen Verhandlungsstand in Kenntnis zu setzen.“

Den Vorschlag des Rektorats, bis zum Dezember die Hälfte der erforderlichen Einsparsumme durch Strukturanpassungen zu erreichen, lehnten die studentischen Senatoren ab. Sie forderten eine Profildiskussion mit ausreichend Zeit, auf umfangreicher Informationsbasis, unter Berücksichtigung der Studienbedingungen und unter Beteiligung aller Statusgruppen zu führen. Der Stellungnahme folgte langanhaltender Applaus aus dem Publikum.

Ein echtes Defizit?

Vor allem Studierende waren dem Aufruf des Aktionsbündnisses gefolgt, auf der Situung Präsenz zu zeigen.
Vor allem Studierende waren dem Aufruf des Aktionsbündnisses gefolgt, auf der Situung Präsenz zu zeigen. (Foto: Maike Glöckner)

Mehrmals wurde von Senatoren anschließend die Einsparsumme von 6 Millionen in Frage gestellt. Kanzler Dr. Martin Hecht bat an dieser Stelle um Sachlichkeit. „Wir führen diese Defizitdiskussion seit 2009. Das Defizit ist immer offengelegt worden.“ Auch mit dem Ministerium habe man darüber diskutiert. „Wir haben auch versucht, es in den aktuellen Zielvereinbarungen ausgeglichen zu bekommen.“

Das Defizit sei durch gestiegene Sach- und Personalmittelkosten entstanden – beispielsweise durch Inflationseffekte, die Ost-West-Tarifanpassung sowie durch steigende Kosten bei technischen Geräten. Rund sechs Millionen Euro fehlen im aktuellen Haushalt, im letzten Jahr waren es 6,7 Millionen. Derzeit werde diese Lücke durch die Hochschulpaktmittel vorfinanziert. Es sei auf jeden Fall zu erwarten, dass diese Mittel zukünftig sinken, so der Kanzler. „Wir sollten nicht noch einmal die riskante Karte spielen und mit einem Defizit in der Haushaltsvorlage in die Verhandlungen zu den nächsten Zielvereinbarungen gehen“, warnte Hecht.

Eine andere Ansicht vertraten Personalrat und Studierende. Sie forderten eine politische Diskussion, die auch mit Vertretern des Landes hier an der Hochschule geführt werden müsse. Die MLU solle um ihre Ausfinanzierung kämpfen. Viele Professoren im Senat zeigten Verständnis für diese Position, unterstützten jedoch die grundlegenden Einsparungsbemühungen: „Das ist für jede Fakultät ein schmerzlicher Prozess, aber wir brauchen ein solches Konzept für unsere Planungssicherheit“, sagte Professor Reinhard Neubert.

Nach drei Stunden intensiven Austauschs lenkte Alt-Rektor Wilfried Grecksch den Fokus auf eine zeitlich drängende Frage: Wie sollte in der nächsten Senatssitzung mit Anträgen zur Ausschreibung von Professorenstellen umgegangen werden? Ursprünglich war vorgesehen, die Professuren zur Ausschreibung wieder freizugeben, die von der Strukturanpassung nicht betroffen sind.

Der Senat müsse nun Kriterien beschließen, nach denen Ausschreibungen von Professorenstellen aus den Fakultäten bis April 2013 vorgenommen werden könnten, meinte Grecksch. Er schlug mehrere Kriterien vor, über die zunächst diskutiert und schließlich mit 12 Ja-Stimmen, 8 Enthaltungen und einer Gegenstimme abgestimmt wurde.

Im Protokoll wurden die folgenden als ausschlaggebend festgehalten: Professuren, die zur Stärkung des Profils der Universität beitragen, die Forschungsverbünde stärken und Kooperationspotenziale sowohl innerhalb der Universität als auch mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen aufweisen. Abweichungen von diesen Regelungen hat das Rektorat zu begründen.

Ein neuer, alter Auftrag

Zur Dezember-Sitzung wünschte sich Wilfried Grecksch „Klartext zu den Stellen, mit denen 50 Prozent des Defizits gespart werden soll.“ Nicht alle Senatoren wollten diesen Wunsch jedoch mittragen – u.a. die Studierenden waren gegen ein aus ihrer Sicht voreiliges Strukturanpassungskonzept. So ging der Senat in diesem Punkt ohne Beschluss auseinander und hielt im Protokoll lediglich fest, dass das Rektorat erneut beauftragt werde, bis zum Dezember eine mit den Fakultäten abgestimmte Vorlage zur Diskussion in den Senat einzubringen.

„Wir sind einen deutlichen Schritt weitergekommen, aber eine Reihe von Fragen ist noch ungeklärt“, kritisierte ein Professor zum Sitzungsende. Der Rektor zog ein positives Fazit: „Aus meiner Sicht ist die Sitzung gut verlaufen. Es wurde intensiv und objektiv diskutiert. Wir haben ein Informationsdefizit abbauen können und sind jetzt auf einem guten Stand, um die Diskussion weiterzuführen.“ Auch Richard Schmidt hatte ein gutes Gefühl: „Es gab nicht die üblichen Gegensätze zwischen den Forderungen der Studenten und den Interessen der Professoren. Mit den schnell gefassten Beschlüssen am Ende der Sitzung sind wir jedoch nicht einverstanden.“

Weitere Informationen:

Stellungnahme des Kuratoriums der MLU zur Rekotratsvorlage

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