Auf Brücken im Gespräch: Uni-Projekt im Themenjahr der Stadt

Haben Sie heute schon jemandem wirklich in die Augen geschaut, jemanden angelächelt oder einfach freundlich gegrüßt? Das fragten die Bachelor- und Masterstudierenden der Sprechwissenschaft am Dienstag Passanten auf der halleschen Peißnitzbrücke. Die Idee dahinter entstammt Erfahrungen, wie man sie zum Beispiel an Tagen wie Neujahr sammelt, wenn sich selbst fremde Menschen freundlich grüßen. „Man fühlt sich irgendwie verbunden, einfach durch ein ,guten Tag‘“, sagt Dozentin Dr. Judith Pietschmann. Und vielleicht, so das Ziel der Aktion am Dienstag, gelingt es ja, Menschen zum Nachdenken zu bringen und dazu anzuregen, Unbekannte anzulächeln, anderen einen schönen Tag zu wünschen. Also symbolisch Brücken zu bauen.
Mit dem Seminarprojekt „Eine Brückenlänge Zeit zum…“, das von Prof. Dr. Susanne Voigt-Zimmermann und Judith Pietschmann geleitet wird, beteiligt sich die Sprechwissenschaft der MLU zum zweiten Mal am halleschen Themenjahr. Im Herbst 2023 kamen Studierende bei einem „Streitfest“ in Halle-Neustadt mit Anwohnerinnen und Anwohnern darüber ins Gespräch, wie sie streiten und was Streitkultur ausmacht. Dem neuen Projekt ging eine Lehrveranstaltung im Wintersemester 2024/25 voraus, die sich unter rhetorischen Gesichtspunkten insbesondere mit dem entstehenden Zukunftszentrum in Halle und dem 35. Jubiläum des Mauerfalls befasste. In Gesprächen, unter anderen mit einer Bürgerrechtlerin, Stadtratsmitgliedern und Vertretern des Zukunftszentrums, wurde zum Beispiel ausgelotet, wie es gelingen kann, dass das Prestigeprojekt des Bundes nicht nur als Dauerbaustelle im Zentrum wahrgenommen wird. Oder was ein „Runder Tisch“ bewirken kann in Zeiten, in denen sich Menschen überwiegend in ihren eigenen „Bubbles“ bewegen.
Auf dieser Basis entstand der Plan für eine Fortsetzung, diesmal nicht im Seminarraum, sondern in der Öffentlichkeit. Auf Brücken, über die jeder Mensch unabhängig von Herkunft und sozialer Schicht gehen muss, wenn er einen Fluss überqueren will. „Das fanden wir sehr charmant“, so Pietschmann. Die erste sichtbare Aktion starteten die Studierenden Anfang Juni auf der Steinmühlenbrücke unter dem Stichwort „überbrücken“ mit der Frage an Passantinnen und Passanten, wie viele Brücken sie an dem Tag schon überquert haben, ob es für sie eine Lieblingsbrücke gibt. Der Anfang sei bewusst niedrigschwellig gewählt worden, so die Dozentin. An zwei weiteren Terminen am 24. Juni und 1. Juli soll es dann um das Zuhören und das Streiten gehen. Eine der Ideen ist, einen entgleisten Gesprächsverlauf aus einem Social-Media-Kanal vorzutragen, um den Zuhörerinnen und Zuhörern eindrucksvoll den Unterschied zwischen dem anonym geschriebenen und dem gesprochenen Wort zu zeigen. „Wir wollen Wege des Miteinanders ausloten und probieren“, so Pietschmann.