Gefragte MLU-Alumni: Medizinphysiker feiern Jubiläum

16.11.2023 von Katrin Löwe in Campus, Studium und Lehre
Vor 25 Jahren ist an der MLU der deutschlandweit erste universitäre Studiengang „Medizinische Physik“ aufgebaut worden. Im Interview blicken Studiengangsleiter Prof. Dr. Jan Laufer und Fachstudienberater Prof. Dr. Detlef Reichert auf die Anfänge, die Bedeutung des Fachs und die Berufsaussichten für die Studierenden.
Der Linearbeschleuniger in der Universitätsklinik für Strahlentherapie - an ihm werden auch die Medizinphysik-Studierenden ausgebildet.
Der Linearbeschleuniger in der Universitätsklinik für Strahlentherapie - an ihm werden auch die Medizinphysik-Studierenden ausgebildet. (Foto: Universitätsmedizin Halle)

Die MLU war damals Vorreiter auf dem Gebiet. Wie kam es zum Aufbau des Studiengangs?
Detlef Reichert: Die Idee kam von Prof. Dr. Ulrich Cobet, Physiker und zu der Zeit Direktor des Institutes für Medizinische Physik und Biophysik innerhalb der Medizinischen Fakultät. Für Strahlentherapie, Nuklearmedizin oder die Radiologie, also Bereiche in der Medizin, in denen in einem bestimmten Ausmaß Strahlen angewendet werden, braucht es eine spezielle Qualifikation – den „Medizinphysik-Experten“. Bis Ende der 1990er Jahre war es so, dass man entweder Physik oder Medizin studiert hat - die fehlenden Kenntnisse für eine Anerkennung durch die Aufsichtsbehörden musste man nach dem Studium erwerben. Gemeinsam mit dem Physiker Prof. Dr. Hans-Reiner Höche wurde dann unser Studiengang entwickelt, in dem dieses Wissen gleich mit vermittelt wird.

Detlef Reichert
Detlef Reichert (Foto: privat)

Sie haben schon erwähnt, wo die Medizinphysik nötig ist. Verändert sich deren Bedeutung?
Reichert: Grundsätzlicher Hintergrund ist ja der Strahlenschutz für Patienten und Personal. Wir alle wissen zum Beispiel, dass Röntgenstrahlen nicht ganz so harmlos sind, aber unverzichtbar in der Diagnostik und Therapie. Seit 80 Jahren gibt es Bestrebungen, die Belastung durch die Strahlendosis in einem erträglichen Rahmen zu halten und trotzdem Aussagen oder Therapieerfolge zu sichern. In dem Feld ist immer noch Bewegung. Dazu kommt, dass es vor drei Jahren eine Novellierung des Strahlenschutzgesetzes in Deutschland gab, bei der die Bedeutung der Medizinphysik-Experten betont wurde und Anforderungen in medizinischen Einrichtungen verschärft wurden. Die Verantwortung unserer Absolventinnen und Absolventen ist groß. Nehmen wir das Beispiel, dass Krebs diagnostiziert wurde. Der Arzt zeichnet ein, wo der Tumor liegt und sagt, welche Strahlendosis dort gebraucht wird – und wie hoch sie in der Umgebung bei anderen Organen sein darf. Dass wirklich nur im Tumor die für die Zellen tödliche Dosis ankommt, muss der Medizinphysik-Experte sicherstellen.

Jan Laufer: Dazu kommen eine unglaublich dynamische Entwicklung der medizinphysikalischen Verfahren in Diagnostik und Therapie und auch neue Ansätze wie Protonentherapie oder therapeutischer Ultraschall, die weitere Handlungsfelder mit sich bringen.

Jan Laufer
Jan Laufer (Foto: privat)

Das klingt alles nach guten Berufsaussichten …
Reichert: Es werden mehr Fachkräfte gesucht als auf dem Markt sind. Ich mache bei uns Alumniarbeit und weiß von allen, wohin sie nach dem Studium gegangen sind. Und ich kann sagen: Niemand fährt Taxi oder bringt Pizza, alle haben eine adäquate Beschäftigung - und die ist extrem gut bezahlt.

Laufer: Ich finde den Studiengang sehr attraktiv, weil die Absolventinnen und Absolventen freie Wahl haben: Neben der Möglichkeit, als Medizinphysiker in einer Klinik zu arbeiten, können sie mit dem Abschluss jederzeit in andere Bereiche der Physik wechseln, wie zum Beispiel in die akademische Forschung. Zugleich besteht die Möglichkeit, in die Industrie zu gehen.

Wie viele Absolventinnen und Absolventen gab es in den 25 Jahren?
Reichert: Insgesamt 299. Im Moment haben wir rund 30 Erstsemester im Jahr und 20 Masterstudierende – mit Numerus clausus. Wir sind kein Riesenstudiengang, das können wir auch gar nicht leisten, weil die Ausbildung extrem aufwändig ist.

Laufer: Dafür ist angesichts der Zahl der Professuren das Verhältnis von Studierenden zu Lehrenden extrem gut, es gibt einen sehr direkten Draht.

Wie sieht das Studium aus und warum hat es einen NC?
Laufer: Es ist ein Physikstudiengang – das muss man noch einmal ganz klar betonen. Kein Physik light, sondern Physik mit einem zusätzlichen Teil, der medizinische Grundlagen abdeckt. Da arbeiten wir mit der Medizinischen Fakultät zusammen und müssen aufgrund der Kapazitätsverordnung dort limitieren. Zudem sind im Master zum Beispiel Lehrveranstaltungen wie ein Praktikum an einem Linearbeschleuniger für die Krebstherapie sehr aufwändig. Diese Geräte laufen in der Klinik für Strahlentherapie unseres Universitätsklinikums an fünf Tagen in der Woche von 7 bis 18 Uhr. Ein Teil der Zeit wurde für uns freigeschaufelt, die Kollegen dort zeigen viel Engagement neben ihren klinischen Aufgaben.

Wie begehen Sie Ihr 25-jähriges Bestehen?
Reichert: Bisher haben wir aller fünf Jahre gefeiert, vor allem mit führenden Experten der medizinischen Physik, Vertretern von Aufsichtsbehörden oder Medizinprodukteherstellern. Diesmal haben wir eigene Absolventinnen und Absolventen eingeladen, die in unterschiedlichen Forschungsbereichen oder medizinischen Einrichtungen arbeiten. In einem Kolloquium wird eine Absolventin aus Dresden eine völlig abgefahrene Methode der Laserbeschleunigung von Teilchen vorstellen, die zur Bestrahlung genutzt werden können. Ein Absolvent aus Jena erklärt, was man mit der Magnetresonanztomographie heute alles machen kann. Dazu kommt eine Kollegin aus der HNO-Klinik in Halle, die mit Cochlea-Implantaten arbeitet. Das Kolloquium ist öffentlich.

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Die Jubiläumsveranstaltung findet am Donnerstag, 23. November 2023, um 16:15 Uhr im Gustav-Mie-Hörsaal, Campusbereich Heide-Süd, Theodor-Lieser-Str. 9, statt.

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Physik

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Kommentare

  • Andreas Christ am 17.11.2023 16:57

    Sehr schöner Artikel.
    Aber eine Aussage muss ich korrigieren: Prof. Ulrich Cobet war Physiker und zu der Zeit Direktor des Institutes für Medizinische Physik und Biophysik innerhalb der Medizinischen Fakultät.
    Viele Grüße und weiter viel Erfolg für den Studiengang
    Andreas Christ

    • kloewe am 20.11.2023 09:56

      Vielen Dank für den Hinweis, wir haben die entsprechende Passage korrigiert.

      Beste Grüße
      Katrin Löwe

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