„Es ist alles ungewiss“ – Studierende und Promovenden aus Syrien in Not

10.09.2012 von Sarah Ludwig in Studium und Lehre, Campus
Erst vor wenigen Tagen ist das erste Kind von Sarhad Hussen, einem von 90 syrischen Studierenden und Promovenden an der MLU, auf die Welt gekommen. Mit Stolz berichtet er von seinem Erstgeborenen und davon, dass trotz der schweren Geburt alle wohlauf sind. Das Glück des frischgebackenen Vaters trüben jedoch Existenzängste. Der Bürgerkrieg in Syrien ist für die hier Lebenden nicht nur psychisch belastend, auch finanzielle Mittel erreichen sie nicht mehr.
Sarhad Hussen ist in finanzieller Not.
Sarhad Hussen ist in finanzieller Not. (Foto: Sarah Huke)

Der 34-jährige Hussen lebt seit fast fünf Jahren in Deutschland. Nachdem er den Master in Alter Geschichte erfolgreich abgeschlossen hatte, begann er mit seiner Dissertation bei Prof. Dr. Andreas Mehl am Institut für Altertumswissenschaften. Finanziell wurde sein Vorhaben durch ein Stipendium der syrischen Al-Furat Universität unterstützt. Doch seit Mai kommt das Geld nicht mehr an, in der Universität in Syrien ist niemand zu erreichen. „Ich weiß nicht, wie es meinen Professoren dort geht, und auch von meiner Familie habe ich seit einer Woche nichts gehört“, berichtet Hussen.

Hussen stammt aus dem kurdisch besiedelten Teil des Landes. „Dort sind bis jetzt keine Kämpfe, aber die Auswirkung spürt auch meine Familie: Alle haben ihren Job verloren. Ein Teil ist geflüchtet.“ Für seine ebenfalls aus Syrien stammende Frau versucht Hussen stark zu sein, aber das gelingt ihm nicht immer: Zum einen macht er sich Sorgen um seine Familie in Syrien, zum anderen ist sein angesparte Geld aufgebraucht. Mit seinem Stipendium von monatlich 1200 Euro hatte Hussen bis dahin sich und seine Frau finanziert, die ebenfalls an der Uni Halle promoviert.

Das Aufenthaltsrecht Hussens erlaubt ihm lediglich, 120 Tage im Jahr zu arbeiten, sodass eine Selbstfinanzierung durch Arbeit sehr schwer ist. Zudem müssen ausländische Studierende einen gesetzlich vorgeschriebenen Barbetrag auf einem Sperrkonto nachweisen, um im Land bleiben zu dürfen. Die staatliche Ausländerbehörde prüft dies zurzeit bewusst nicht. Auch das International Office der Uni Halle steht in Kontakt mit der Ausländerbehörde, um Fragen zum Aufenthaltsrecht zu klären und informieren zu können. Als sich die finanziellen Reserven dem Ende entgegen neigten, wandte sich Hussen an seinen Mentor Andreas Mehl. „Er bot mir sofort Hilfe an, besorgte Adressen, an die ich mich wenden konnte.“ Hussen meldete seine Notlage beim International Office – ein erster wichtiger Schritt, damit ihm die Universität helfen kann.

Das Rektorat der MLU weiß bislang nur von einzelnen Fällen. „Ein Bruchteil aller Studierenden und Promovenden aus Syrien haben sich bei der Uni gemeldet, so dass wir das Ausmaß der Notlage noch nicht abschätzen können. Wir sind uns jedoch einig, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln helfen werden. Dies könnte unter anderem die Vermittlung von Stipendien sein“, erklärt Prof. Dr. Gesine Foljanty-Jost, Prorektorin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs. Dr. Manja Hussner, Leiterin des International Office, fügt hinzu: „Eine weitere konkrete Maßnahme wäre die Vermittlung von Jobs durch das Career Center der Uni sein.“ Die Universität ist derzeit bemüht Einzelfalllösungen zu finden. Um seitens der Hochschulen eine allgemeinere Initiative auf Landesebene zu ermöglichen, muss zunächst ein Überblick über die Bedürftigkeit geschaffen werden. Die Koordination läge dann in den Händen des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalts.

„Nachdem wir die Dissertationen fertig haben, wollten wir zurück nach Syrien gehen“, erklärt Hussen. „Ich hätte einen Job an der Uni bekommen. Nun ist alles ungewiss.“

Studierende finden an vielen Stellen Hilfe und Unterstützung

Der Verein „Hilfe für ausländische Studierende“ (HauS e.V.) unterstützt Studierende aus dem Ausland, die sich in der Endphase ihres Studiums befinden oder einen erfolgreichen Abschluss anstreben. Dies kann die Zahlung von ein bis zwei Monatsmieten, der Immatrikulationsgebühr oder des Krankenkassenbeitrags sein, auch kleine Soforthilfen werden in Notfällen bereitgestellt. Um einen Antrag zu stellen, sollte man zunächst per Mail (margarete.wein@haus.uni-halle.de) einen Termin für die Sprechstunde (5. und 19. September, ab Oktober regelmäßig jeden Mittwoch) ausmachen.

Die ESG (Evangelische Studierendengemeinde) hilft konfessionsunabhängig. Pfarrer Johann-Hinrich Witzel (witzel@halle-esg.de) hat nicht nur ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Studierenden, die ESG kann auch Spenden und Darlehn aus dem Nothilfefond des Diakonie vermitteln und beim Ausfüllen von Anträgen helfen.

Das Studentenwerk Halle schnürt in Zusammenarbeit mit dem HauS-Verein, der ESG und dem International Office Hilfspakete für bedürftige Studierende: Erste Anlaufstelle ist die Sozialberatung (sozialberatung@studentenwerk-halle.de). Dort kann man zum einen finanzielle Beihilfe beantragen, aber auch ein zinsloses Studienabschlussdarlehen. Alle weiteren Informationen auf den Seiten des Studentenwerks.

Auch der Studierendenrat (soziales@stura.uni-halle.de) der Uni Halle bietet ein zinsloses Sozialdarlehen an. Dies kann in einer Höhe von bis zu 1000 Euro ausgezahlt werden und nach Ende der finanziellen Notlage in kleinen Beträgen von monatlich 20 Euro zurückgezahlt werden. „Auch bei allen Fragen zu Behördengängen und Bafög-Anträgen beraten wir gern“, erklärt Sebastian Rhein.

Spendenaufruf im Onlinemagazin

Schlagwörter

Kommentar schreiben

Auf unserer Webseite werden Cookies gemäß unserer Datenschutzerklärung verwendet. Wenn Sie weiter auf diesen Seiten surfen, erklären Sie sich damit einverstanden. Einverstanden