Dr. Usus Zeitgeist: Das Ding in der Hand?

18.04.2012 von Corinna Bertz in Im Fokus, Varia
Eine uns bekannte Redaktion nahm sich anlässlich des Wissenschaftsjahres 2012 vor, über die Früchte der Wissenschaft im hiesigen Halle zu schreiben. Während in illustrer Themenfindungs- und -auswahlrunde Neuronen feuerten, kritisierte eine Geisteswissenschaftlerin: „Das sind ausschließlich naturwissenschaftlich-technische Themen.“ Stille, Zustimmung.
"Eine Erfindung ist nicht zwangsläufig ein Ding", meint Dr. Usus Zeitgeist.
"Eine Erfindung ist nicht zwangsläufig ein Ding", meint Dr. Usus Zeitgeist. (Foto: Oliver Weiss)

„Aber eine Erfindung ist ein Ding, etwas Technisches, womit sich zum Beispiel ein Verfahren optimieren lässt. Was für ein Ding ist eine geisteswissenschaftliche Erfindung?“ Mag man sich der Praxis halber fürs Heft darauf geeinigt haben – eröffnet war und ist es doch, das mentale Schlachtfeld, auf dem sich Natur- und Geisteswissenschaftler gegenüberstehen und die Frage diskutieren: Können nur Naturwissenschaftler Erfinder sein?

Wikipedia – unausweichlich, hier schreibt schließlich Dr. Zeitgeist (sic!) – definiert Erfindungen als „schöpferische Leistungen auf technischem Gebiet, durch die eine neue Problemlösung […] ermöglicht wird“. Und: „Wenn sie gewerblich nutzbar sind, können sie durch Patent oder Gebrauchsmuster geschützt werden […].“

Diese Bestimmung scheint sowohl den Ingenieuren (siehe Unimagazin-Editorial) als auch dem werten Redaktionsmitglied Recht zu geben.

Tatsächlich aber schließt sie geisteswissenschaftliche Erzeugnisse nicht aus: Eine Erfindung ist nicht zwangsläufig ein Ding. Denn „technisch“ – vom griech. τέχνη – bezeichnet nicht nur Gegenstände wie Maschinen o. ä., sondern auch Fertigkeiten sowohl physischer als auch geistiger Natur.

Etwas anderes, dem Geist der Zeit Zugehöriges, scheint einigen dergestalt ins Denken zu fahren, dass sie meinen, die Erfindung müsse ein Ding naturwissenschaftlichen Ursprungs sein. Eine ordentliche Prise kapitalistischer Prägung. In einer Zeit, in der Menschen als Humankapital – mit gestutzter Ausbildungs- und gestreckter Arbeitszeit – gedacht werden, in verschiedenen Formen angeordneter Müll als zu erstehendes Kunstwerk vermarktet wird, und ohnehin möglichst aus allem Profit geschlagen werden soll, da geschieht es schon mal, dass harmlosen Begrifflichkeiten Eigenschaften hinzugedichtet werden, die wirtschaftliche Wirksamkeit zur Bedingung machen.

Auch die großen Politologen von der Antike bis in die jüngere Zeit, denen Grundgedanken und –pfeiler von Demokratie und anderen Staatsformen zu verdanken sind, lassen sich ganz klar als Erfinder bezeichnen. Ebenso ist ein Neologismus wie Lichtenbergs „Verschlimmbessern“ eine Erfindung – ein Wort, dessen Nutzen darin besteht, eine komplexe Aussage wie „etwas in der Absicht, es zu verbessern, verschlechtern“ zu ersetzen.

Und, werte Naturwissenschaftler, die Erfinder von der „Geistesfront“ erweisen sich oft als großzügiger: Anwendung von Demokratie und Verwendung von „Verschlimmbessern“ sind kostenlos!

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