„Die Wegrichtung steht“ – Profildebatte im Senat

22.12.2011 von Corinna Bertz in Hochschulpolitik, Campus
Ob es an Weihnachten lag oder an den Plätzchen, die es zur letzten Senatssitzung des Jahres gab? Selbst Rektor Udo Sträter schien vom harmonischen Verlauf der Sondersitzung überrascht. „Nur“ dreieinhalb Stunden brauchten die Senatoren, um sich über die grundlegenden Inhalte zu einigen, die als Antworten auf die Fragebögen des Wissenschaftsrats formuliert werden sollten. Sachlich, aber mit Leidenschaft diskutierten sie an diesem Mittwochnachmittag über das Profil der Universität, ihr Leitbild und ihre Forschungsschwerpunkte.

Seine Wette mit Kanzler Martin Hecht hatte Professor Sträter somit verloren. Der Rektor war sicher gewesen, dass die Sitzung mindestens doppelt so lange dauern würde. Zum ersten Mal diskutierten Dekane und Senatoren in großer Runde über Fragen, die der Wissenschaftsrat an die Hochschulen des Landes gestellt hatte. Nicht ohne sich zuvor noch einmal über die grobe Linie zu verständigen: Ein roter Faden sei notwendig, der sich durch alle Antworten ziehe – sowie eine gemeinsam erarbeitete Darstellung, mit der sich die Martin-Luther-Universität dem Wissenschaftsrat und dem Land gegenüber aktiv positioniere, schrieb Professor Joachim Ulrich in Abwesenheit.

Vom Status Quo in die Zukunft geblickt

In der "Burse zur Tulpe" traf sich der Senat der Universität am 21.12. zu einer Sondersitzung.
In der "Burse zur Tulpe" traf sich der Senat der Universität am 21.12. zu einer Sondersitzung. (Foto: Norbert Kaltwaßer)

Ist der Fragebogen tatsächlich von solcher Bedeutungsschwere? Dass die Antworten der MLU langfristige Konsequenzen haben werden, davon schienen im Hallischen Saal alle Anwesenden überzeugt. Mit großem Interesse hatten sie die knapp 100 Seiten gelesen, die das Rektorat als Antwortentwurf vorlegte und nun zur Diskussion stellte. Auch die Vorsitzende des Kuratoriums der Universität, Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug, und das überwiegend studentische Publikum verfolgten die Sitzung gespannt.

„Wir diskutieren Papiere, die noch nicht fertig sind“, hielt der Rektor zu Beginn noch einmal fest. Schnell waren danach inhaltliche Anmerkungen aus dem Senat und aus der Strukturkommission – etwa zur Geschichte der Universität und zum Einbezug der Medizinischen Fakultät – in das Papier aufgenommen. Die längste Debatte lieferten sich die Senatoren zur Frage der Forschungsschwerpunkte. Der Wissenschaftsrat hatte nach dem Status Quo und nach geplanten profilbildenden Schwerpunkten gefragt.

Der Status Quo war leicht zu benennen: Die vier Landesexzellenznetzwerke „Nanostrukturierte Materialien“, „Strukturen und Mechanismen der biologischen Informationsverarbeitung“, „Gesellschaft und Kultur in Bewegung“ und „Aufklärung – Religion – Wissen“ sind Forschungsschwerpunkte der Universität. Schwieriger gestaltete sich der Blick in die Zukunft: Wie viele Schwerpunkte soll es an der Universität geben? Und mit welchen Begriffen werden sie am besten erfasst?

„Die Forschungsschwerpunkte müssen auseinanderzuhalten sein, sie dürfen aber auch nicht die gesamte Universität beinhalten“, betonte Udo Sträter. Ihre Benennung würde für die MLU zukunftsweisend sein – mit Blick auf zukünftige Neuberufungen trifft der Senat damit auch eine strukturelle Entscheidung. Fast alle Senatoren und Dekane beteiligten sich an der intensiven Debatte und setzten ihre Gespräche auch in der Pause fort. Auf Schwerpunkte, in denen die MLU bundesweit an der Spitze der Forschung steht, wollte man sich einigen.

Drei Schwerpunkte, die jeweils auf Säulen aus verschiedenen Forschungsfeldern beruhen, standen am Ende fest: In den Naturwissenschaften hielt der Senat an den beiden bestehenden Exzellenznetzwerken fest, der biowissenschaftliche Schwerpunkt soll unter dem Überbegriff „Proteine und Pflanzen“ jedoch zukünftig auch die nichtmolekularen Pflanzenwissenschaften integrieren.

Die beiden geisteswissenschaftlichen Netzwerke „Gesellschaft und Kultur in Bewegung“ und „Aufklärung – Religion – Wissen“ stellten die Senatsmitglieder unter den neuen Dachbegriff „Kulturelles Erbe – soziale Dynamiken“. Dieser Schwerpunkt soll gegenwartsbezogene und historische Forschungsfelder miteinander verbinden. Neben Governance einerseits und Archäologie, Ethnologie, Kunstgeschichte andererseits wird auch die Bildungsforschung eine tragende Säule sein. „Damit ist eine wunderbare Schärfung und Ergänzung der Profile gelungen und ein Alleinstellungsmerkmal der MLU benannt“, zeigte sich der Dekan der Philosophischen Fakultät III, Professor Harald Schwillus, erfreut. „Dafür hat sich diese Senatssitzung gelohnt“, stimmte ihm der Rektor zu.

„Der Teufel steckt im Detail“

Über das zweite zentrale Thema der Sondersitzung – die Frage nach dem Leitbild der Universität – konnte sich der Senat im Allgemeinen zügig verständigen. Anmerkungen zu spezifischen Formulierungen im Entwurf erbat sich das Rektorat per E-Mail. Im Januar soll über eine Endfassung abgestimmt werden. Auch über die Zivilklausel, die auf Vorschlag von Ingrid Stude, Geschäftsführerin der Mediathek, und Mitgliedern des Studierendenrats in das Leitbild aufgenommen werden soll, will der Senat dann abstimmen. In der Zivilklausel erklärt die Hochschule, auf armee- und rüstungsrelevante Forschung zu verzichten.

Gegen halb sechs konnte Rektor Sträter die Sondersitzung mit den besten Weihnachts- und Neujahrswünschen beenden. Ein Grund, entspannt in die Weihnachtsferien zu gehen, war der harmonische Verlauf aber nicht. Viel Arbeit unter hohem Zeitdruck liegt noch vor der Universitätsleitung und allen Beteiligten in den Fakultäten. „Die Wegrichtung steht, aber der Teufel steckt im Detail“, meinte Professorin Suzanne Schüttemeyer, die an diesem Tag den Dekan der Philosophischen Fakultät I vertrat.

Nicht nur die Details werden Senat und Rektorat noch intensiv beschäftigen. Auch die letzte und heikelste Frage des Wissenschaftsrats – die Frage nach den Stärken und Schwächen der Universität – wurde drei Tage vor Heiligabend noch nicht angeschnitten. Am 17. Januar wird in einer weiteren Sondersitzung des Senats darüber diskutiert. Zuvor sprechen die Rektoratsmitglieder mit den Statusgruppen der einzelnen Fakultäten. Der Dekan der Philosophischen Fakultät II, Professor Gerd Antos, sprach sich an dieser Stelle dafür aus, die Diskussion von Beginn an transparent zu führen: „Je klarer wir auch hier bereits die schwierigen Aspekte skizzieren, umso besser können wir die Fakultäten auf das einstellen, was sie erwartet.“

Am 25. Januar sollen die ausgefüllten Fragebögen an den Wissenschaftsrat übergeben werden. Damit, stellte Professor Sträter abschließend noch einmal klar, sei die Debatte aber noch lange nicht beendet: „Die Antworten an den Wissenschaftsrat sind das eine. Unsere Profildiskussion werden wir auch danach fortsetzen.“

Rektor Sträter im Interview zur Profildebatte und der Begutachtung

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