Der Mumien bunte Kleider

23.01.2014 von Ute Olbertz in Forschung, Wissenschaft
Rund 3.000 Jahre alte Kleidungsstücke aus China stehen im Mittelpunkt des Interesses der Wissenschaftler um Prof. Dr. René Csuk am Institut für Chemie. In den kommenden drei Jahren will die Arbeitsgruppe herausfinden, wie diese Bekleidung hergestellt wurde, aus welchen Materialien sie besteht und welche Färbemittel zum Einsatz kamen. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 200.000 Euro.
„Auch damals war die Welt bunt“, Prof. René Csuk mit dem Faden eines 3.000 Jahre alten chinesischen Kleidungsstücks.
„Auch damals war die Welt bunt“, Prof. René Csuk mit dem Faden eines 3.000 Jahre alten chinesischen Kleidungsstücks. (Foto: Michael Deutsch)

Nahezu detektivischer Spürsinn gehört ist notwendig, um aufzuklären wie die Kleidung tatsächlich ausgesehen hat, wirken doch manche der Jahrhunderte alten Stücke heute blass und grau. „Doch auch damals war die Welt bunt“, ist Arbeitsgruppenleiter René Csuk überzeugt. Er zeigt eine Menge kleiner Plastikröhrchen, die jeweils nur einen einzigen Faden von Textilien, winzige Woll- oder Lederreste enthalten. Diese aus China mitgebrachten Proben bewahrt Csuk im Tresor auf, denn in der Tat haben sie einen unschätzbaren Wert. Jedes Röhrchen ist genauestens nummeriert und beschriftet, um die Ergebnisse später zuordnen zu können.

Im August 2013 begannen die Arbeiten. Das Projekt beschäftigt sich mit Funden aus der Autonomen Region der Uiguren in Xinjiang, die sich im Nordwesten des heutigen Staatsgebiets der Volksrepublik China befindet. Es handelt sich meist um vollständige Ausstattungen von bekleideten Trockenmumien, die teilweise bereits vor zehn Jahren entdeckt, dann aber in verschiedene Museen und Institutionen in Xinjiang gebracht wurden. Das extrem trockene Klima ist Grund für den guten Zustand des organischen Materials, das teilweise regelrecht konserviert ist. „Mikrobiologische, chemische und photochemische Prozesse bedingen natürlich Alterungsprozesse und können auch die Farbigkeit im Nachhinein verändern“, sagt Csuk.

Fellmantel aus Hami, Nordwestchina
Fellmantel aus Hami, Nordwestchina (Foto: D. Hosner, DAI)

Es liegen damit Zeugnisse vor, die für die Erforschung des Lebens der Bevölkerung Ostzentralasiens zwischen 1.000 v. Chr. und ca. 300 n. Chr. von größter Bedeutung sind. Sie können zum Verständnis frühzeitlicher Brücken zwischen Asien und Europa beitragen, so Csuk weiter. Es geht um die Fragestellung, was Kleider über eine Gesellschaft und ihre Geschichte verraten. Gefärbte Kleidung erfüllt einen bestimmten Zweck: Sie sagt bis heute über den Träger etwas aus und stellt somit ein Kommunikationsmittel dar.

Insgesamt erstreckt sich das Projekt auf die Betrachtung von etwa zwanzig vollständigen Ausstattungen, darunter Kleider, Röcke, Mäntel, Gesichtsschleier, Schuhe und Taschen. Gegenwärtig laufen erste Versuche, aus minimalen Probenmengen sowohl die enthaltenen Farbstoffe als auch die Art des Tieres zu bestimmen, dessen Wolle oder Haut in einem Kleidungsstück verarbeitet wurde. „Detailliertere Aussagen zum Alter der Fundstücke, zu Rohstoffen und Färbetechnologien, Verarbeitungs- und Fertigungsprozessen sowie zu Fragen eines möglichen Technologie- und Rohstofftransfers wollen wir im Rahmen des Projekts gewinnen“, erklärt Csuk.

„Wir wissen bereits, dass organische Naturfarbstoffe meist aus verschiedenen pflanzlichen und tierischen Rohstoffquellen gewonnen wurden, wobei unterschiedliche Färbetechniken zum Einsatz kamen“, erklärt Csuk. Verwendet wurden unter anderem Beizen-, Küpen,- und Direktfarbstoffe. Zum Beispiel haben Farbstoffanalysen an prähistorischen Textilien gezeigt, dass Rotfärbungen meist auf Farbstoffen aus der Klasse der so genannten Anthrachinone basieren, die aus Rötegewächsen oder verschiedenen Schildlausarten isolierbar sind. Für die Farbe Blau wurde meist der Küpenfarbstoff Indigo genutzt.

Anknüpfen können die Chemiker an Erfahrungen, die sie bei der Farbanalyse der Kleidung der Kaiserin Editha aus dem Magdeburger Dom gesammelt haben. Gemeinsam mit dem Landesmuseum für Vorgeschichte hatten sie den roten Farbstoff Kermes, der aus der Kermeslaus gewonnen wurde, im letzten Seidengewand der Herrscherin identifiziert.

„Wir setzen modernste Verfahren der instrumentalen Analytik und Spurenanalytik ein“, sagt Csuk. Zu den zerstörungsfreien Methoden gehören der Blick durchs Rasterelektronenmikroskop oder spektroskopische Spezialverfahren. Bei den invasiven, das heißt gewebeverletzenden, Methoden werden zunächst die Farbstoffe von der Faser getrennt durch Extraktion mit Hilfe geeigneter Lösungsmittel. Anschließend folgen aufwändige Analysen der Extrakte. Verschiedene massenspektrometrische Techniken werden angewendet, bis klare Ergebnisse vorliegen.

Das Teilprojekt in Halle gehört zu dem BMBF-Projekt „Silk Road Fashion: Kleidung als Kommunikationsmittel im 1. Jahrtausend v. Chr. in Ostzentralasien“. Die Federführung hat das Deutsche Archäologische Institut (DAI) in Berlin. Beteiligt sind außerdem zwei chinesische Forschergruppen, ein Team von der Freien Universität Berlin, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften sowie das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte.

Ein ganz besonderes Finale soll es 2017 geben: auf einer internationalen Modenschau wird die historische Kleidung alter Kulturen präsentiert. Gezeigt werden in Material, Farbe und Schnitt authentisch nachgearbeitete Kleidungsstücke.

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