Leipziger Trio glänzt mit abwechslungsreichen Interpretationen

02.07.2015 von Pascal Schiemann in Rezension, Wissenschaft
Mit einer gelungenen Mischung aus Werktreue und Interpretationsfreiheit wusste das Trio Nick Shay Deutsch am vergangenen Dienstag, 30. Juni, bei den "aula konzerten halle" zu überzeugen. Nick Shay Deutsch (Oboe), Guy Ben-Ziony (Viola) und Alexander Schmalcz (Klavier) boten ihrem Publikum sowohl jüdische als auch klassisch-romantische Musik. Pascal Schiemann fasst den Abend zusammen.
Das Trio "nick shay deutsch" spielte am 30. Juni in der Reihe aulakonzerte halle.
Das Trio "nick shay deutsch" spielte am 30. Juni in der Reihe aulakonzerte halle. (Foto: Maike Glöckner)

Dass ein jedes Kunstwerk und somit auch das Musikalische nur dann als ein solches erkannt und wahrgenommen werden kann, wenn es sich als ein geschlossenes Ganzes dem Betrachter offenbart, liegt, wenngleich fest in der Gedankenwelt der Romantik verwurzelt, auch dem modernen Kunstverständnis nicht fern. Doch während der bildende Künstler – ist erst einmal der letzte Pinselstrich geführt, der letzte Meißelhieb getan – sein Werk als eine in sich geschlossene und unveränderliche Einheit der Nachwelt überantwortet, liegt das Schicksal der flüchtigeren Tonkunst in den Händen ihrer Interpreten.

Eine Bürde, die verpflichtet – zum akribischen Restaurieren und Konservieren der Historischen Aufführungspraxis auf der einen, zum spielerisch-freien Umgang mit dem Werk auf der anderen Seite. Wie leicht ließe sich Nietzsches aphoristischer Pfeil auf die vermeintliche Natur der Wahrheit paraphrasieren: „Alle Musik ist einfach“ ­– ist das nicht zwiefach eine Lüge?

Dass beide Umgangsformen mit dem historischen Material gleichermaßen notwendig als auch miteinander vereinbar sind, bewies am Abend des 30. Juni 2015 das Trio Nick Shay Deutsch, dessen Auftritt in der Reihe der aula konzerte halle, mehr noch als einem Paradefall meisterhaften Musizierens, einem betörenden Vexierspiel zwischen Interpretationsfreiheit und Werktreue gleichkam.

So bestach die freie Interpretation der Stücke in kanonischer Form op. 56 Robert Schumanns in der beinahe exotisch anmutenden Besetzung mit Oboe, Viola und Klavier nicht nur auf spieltechnischer Ebene durch musikalische Brillanz, sondern wusste gleichfalls durch die kühne Neuinstrumentierung der ursprünglich für das Pedalklavier erdachten Komposition zu überzeugen. Dass sich gerade der dominante, charakteristische Klang der Oboe so sanft in die Komposition einfügte, war nicht zuletzt dem meisterhaften Spiel Deutschs zu verdanken, dessen Präsenz dem Werk in seiner klanglichen Neubesetzung gar Reminiszenzen an ein Hummel’sches Oboenkonzert zu entlockten vermochte.

Nick Shay Deutsch an der Oboe
Nick Shay Deutsch an der Oboe (Foto: Maike Glöckner)

Und trotz der Beschränkung der Interpretation auf lediglich vier der eigentlich sechs Stücke – diese sind in freiem Verbund ausschließlich hinsichtlich ihrer kompositorischen Anlage miteinander verbunden – erschienen die Kompositionsstudien nicht aus dem Zusammenhang gerissen, sondern erlangten durch die wohlüberlegte Auswahl erst einen zyklischen Charakter, dessen zunehmende Dramatik im Höhepunkt der fünften Etüde in h-Moll kumulierte.

Kaum weniger mitreißend luden die Interpretationen der Serenade f-Moll op. 73 Robert Kahns sowie der fünfteiligen, auf einer Gedichtvorlage Nikolaus Lenaus basierenden Schilflieder August Klughardts in die schwärmerische Klangwelt der Romantik ein. Wann immer die hochromantische Natursymbolik der Textgrundlage Lenaus in neudeutscher Manier einen tiefschürfenden Duktus forderte, wann immer das einfühlsame Spiel der Oboe sanft „des Mondes holden Glanz“ nachzeichnete und wann immer die über den schwarzen Nachthimmel jagenden Blitze ein rauschend-virtuoses Allegro forderten, glänzte das Trio mit einer leidenschaftlich empfundenen Ausdeutung.

Dass die lyrische Grundlage der Klughardt’schen Phantasiestücke dem Publikum nicht im Einklang mit ihrer musikalischen Ausdeutung dargeboten wurde, schmälerte die Qualität der Interpretation freilich nicht, sieht sich doch der Zuhörer auch ohne das vorliegende Programm keineswegs des musikalischen Genusses beraubt. Allein die selten so deutlichen Einblicke in die äußeren Beweggründe der kompositorischen Empfindung blieben der Zuhörerschaft zu einem gewissen Grade verwehrt.

Mit der gelungen Interpretation des „Kegelstatt“-Trios KV 498 Wolfgang Amadeus Mozarts, in dessen konzerthaften Rondo Allegretto allem voran der Pianist Alexander Schmalcz brillierte, stellte das Trio eindrucksvoll unter Beweis, dass es sich nicht nur im romantischen Repertoire beheimatet fühlt, ehe die Musiker mit der Zugabe des Allegro con moto aus den Acht Stücken für Klarinette, Bratsche und Klavier op. 83 von Max Bruch den Bogen zurück in die Spätromantik spannten.

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