Dr. Usus Zeitgeist: Über eine ganz spezielle Spezies

22.03.2013 von Corinna Bertz in Varia
Ich will nicht behaupten, dass Evaluationsbögen und Feedbackrunden an der Universität überflüssig wären. Aber wie Hochschullehrer ihren Beruf ausüben, lässt sich nach jeder Vorlesung auch sehr gut an den Gesichtern ihrer Zuhörer ablesen.
Dr. Usus Zeitgeist
Dr. Usus Zeitgeist (Foto: Oliver Weiss)

Da gibt es jene Sorte Professoren, deren Studenten den Hörsaal mit selig entrückten Gesichtern verlassen. „Es geht los! Meine Damen und Herren!“ rufen diese Lehrenden schon auf dem Weg von der Tür zum Pult. Innerlich unter Hochspannung, äußerlich dank Outdoor-Kluft gegen alle Unwetter gerüstet, stürmen sie nach vorn. In atemberaubendem Tempo klicken sie sich durch die Folien. Ihren gestressten Assistenten haben sie die Präsentation gerade noch einmal komplett umstellen lassen. Im Vortrag springen sie immer wieder auf und laufen mit wehenden Haaren durch die ersten Reihen. Hin und wieder überschlägt sich ihre Stimme vor Begeisterung. Bei ihnen ist noch keiner eingeschlafen.

Ganz anders gestrickt, aber ebenfalls inspirierend: die Hochvergeistigten. In ihren Vorlesungen können wir dem reinen Geist beim Arbeiten zusehen. Bedächtigen Schrittes durchqueren sie den Hörsaal. Die hohe Stirn in Falten gelegt, die Arme über dem Tweed-Sakko verschränkt. Jeder ihrer Sätze sitzt. Elegant eingeflochtene Referenzen zu Koryphäen des Fachs inbegriffen. Das Publikum demonstriert durch dezentes Smartphone-Getippe, dass es den Professor bei seinen intellektuellen Höhenflügen nicht begleiten will. Besonderes Vergnügen bereitet es diesen Lehrenden, am Schluss einer Stunde kunstfertig konstruierte Theoriegebäude gleich wieder einzureißen. Studenten lassen sie am liebsten mit fragenden Gesichtern zurück. Denn diese Sorte Hochschullehrer ist nicht dazu da, Wissensdurstige mit Wissen zu füllen. Nein, sie wollen zum Denken anstiften und Größeres lehren: das akademische Argumentieren, das Hinterfragen der Fragen... Diskutiert wird solange, bis von der Quadratur des Kreises kein Würfel mehr übrigbleibt.

Anders die Professoren der dritten Art: Mit der Lehre verbindet sie eine über Jahre sorgfältig kultivierte Form der Hassliebe. Sie schlurfen behäbig durch die universitären Flure und murren über jeden, der es wagt, ihre Sprechstunde in Anspruch zu nehmen. Seit 15 Jahren halten sie dieselbe Vorlesung. Und manchmal nehmen sich Zeit. Dann kann es passieren, dass sie vorn am Polylux lehnen und anfangen, von besseren Zeiten zu sprechen. „Früher, als jeder Gymnasiast noch Altgriechisch konnte...“ Sie werden melancholisch, zuweilen bitter. Ihre ausgeprägte Skepsis gegenüber allem Neuen sorgt bei den Zuhörern für entgeisterte Gesichter.

Und dennoch lehren alle drei Entscheidendes: Begeisterung und Geistiges – und eine neue Wertschätzung für jedes Quäntchen Geistesgegenwart.

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