Vom Kunstgriff der verinnerlichten Ruhe

26.01.2016 von Pascal Schiemann in Varia, Rezension, Wissenschaft
Sie ist ein Balanceakt, die Kunst des Sich-Zurücknehmens ohne gänzlich zu versiegen, die Kunst des Sich-in-den-Vordergrund-Rückens ohne zu dominieren. Stetes Vexier des Miteinanders im Gegeneinander, welches Beethoven, wie kein anderer Komponist, mit der instrumentalen Gleichberechtigung in seinen Violinsonaten von seinen Interpreten fordert. Doch wer auf diesem Drahtseil tanzen will, muss mit dem Abgrund kokettieren: „Begleitung“, dies wusste bereits Karl Grunsky, „ist neidisch und trachtet zu herrschen.“
In der Uni-Aula begeisterte Antje Weithaas an der Geige, ihre Kammermusik-Partnerin Silke Avenhaus am Klavier.
In der Uni-Aula begeisterte Antje Weithaas an der Geige, ihre Kammermusik-Partnerin Silke Avenhaus am Klavier. (Foto: Maike Glöckner)

Nur selten wurde dieser schmale Grat leichtfüßiger beschritten als von Antje Weithaas (Violine) und Silke Avenhaus (Klavier) bei ihrem Auftritt in der Reihe der aula konzerte halle, nur selten paarte sich die Monologisierung des musikalischen Gedankenflusses eleganter mit einer solch enormen solistischen Qualität. Es ist doch ein wahres Wunderding, wenn die Kammermusik derart eloquent der kränkelnden Zeitgeisterei des bloß solistischen Geltungsdranges entsagt, um die Musik gerade dort zum Leuchten zu bringen, wo die Empfindung das Virtuose überwiegt, wo sich die Leidenschaft beinahe in Stille verflüchtigt und die Grenzen des Bewussten streift.

Weithaas (links) und Avenhaus begeisterten das Pubilkum.
Weithaas (links) und Avenhaus begeisterten das Pubilkum. (Foto: Maike Glöckner)

Kaum je wurde ein betörenderes Pianissimo der Violine gehört – zart und doch voll Charakter – im sich über die letzten drei Takte erstreckenden Flageolett des ersten der vier Stücke für Violine und Klavier op. 17 Josef Suks, kaum je wurde das Adagio der Beethovenʼschen „Frühlingssonate“ op. 24 leidenschaftlicher und anmutiger musiziert. Niemals ist die Ruhe ein bloß ungeduldiges Warten auf den Sturm, sondern steht sie zu jeder Zeit für sich, apodiktisch und frei.

Und doch beherrschen Weithaas und Avenhaus auch das solistische Kabinettstück in Gänze, zeichnen sie im beständigen Wechelspiel des endlich „heroisch“ gewordenen Beethoven der Violinsonate op. 30,2 mit atemberaubender Klarheit großangelegte Spannungsbögen von der Sanftheit des Adagio bis hin zu den gedrängt-virtuosen Ausbrüchen der Leidenschaft im aufbrausenden Finale desselben, vermögen sie eben dort zu brillieren, wo es die Musik fordert. Nichts scheint zufällig, jede Phrase, jedes Motiv ist durchdacht und vollständig durchdrungen: ein neidloses Nebeneinander von verinnerlichter Ruhe und zerrissenem Aufbäumen, das unmittelbare Aufeinanderprallen der Affekte, welches den Zuhörer in seinen Bann reißt und zu glauben drängt, dass Musik nie wieder anders klingen darf.

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