Verwaltungsgenie mit Sinn fürs Praktische

12.12.2017 von Ines Godazgar in Varia
Sein Porträt hängt seit langem im Universitätsmuseum. Und auch ein zentraler Platz auf dem Weinberg-Campus ist nach ihm benannt. Keine Frage, Veit Ludwig von Seckendorff (1626-1692) war eine wichtige Persönlichkeit. Trotzdem wissen heute mit Ausnahme von Fachleuten nur wenige etwas mit seinem Namen anzufangen. Zu Unrecht, wie Rechtshistoriker Prof. Dr. Heiner Lück meint.
Das Bildnis von Veit Ludwig von Seckendorff wurde 1894 von Wilhelm Karl Juncker nach dem Original im Schloss Meuselwitz bei Altenburg angefertigt.
Das Bildnis von Veit Ludwig von Seckendorff wurde 1894 von Wilhelm Karl Juncker nach dem Original im Schloss Meuselwitz bei Altenburg angefertigt. (Foto: Markus Scholz)

An Veit Ludwig von Seckendorff wollte Heiner Lück schon lange erinnern. „Jetzt endlich bietet sich dafür die passende Gelegenheit“, sagt er mit Blick auf den Todestag von Veit Ludwig von Seckendorff, der sich am 18. Dezember zum 325. Mal jährt. „Ein kleines Jubiläum“ sei das. Und ja, er sei der Meinung, „dass jeder, der an der MLU ein geisteswissenschaftliches Fach studiert, den Namen von Seckendorff „zumindest schon einmal gehört haben sollte.“

Seit rund 20 Jahren beschäftigt sich Lück - eigentlich Experte für das berühmteste mittelalterliche Rechtsbuch, den „Sachsenspiegel“ - immer mal wieder mit der Person von Seckendorffs, der 1692 als Gründungskanzler der neuen kurbrandenburgischen Universität nach Halle berufen worden war. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits Rang und Namen, denn, so sagt Lück: „Er gilt als Begründer der modernen Verwaltungslehre.“ Und genau diesen Ausweis wollte man sich zu Nutze machen, als man ihn nach Halle holte. Denn von Seckendorff war ein großer Praktiker, dessen Handeln mit einer ausgeprägten fachtheoretischen Expertise untersetzt war. Ein „Macher“, wie man heute vielleicht formulieren würde; einer, der die Dinge strukturiert und der weiß, worauf es ankommt.

Zuvor hatte von Seckendorff bereits mehrere weithin beachtete Bücher geschrieben. Sein Hauptwerk, eine Verwaltungslehre für fürstliche Höfe unter dem Titel „Teutscher Fürsten-Stat“, war 1656 erstmals erschienen. Weitere Auflagen folgten. Darin beschreibt er, wie fürstliche Güter optimal genutzt werden sollten, wie man sie so bewirtschaftet, dass die Abgabenlast der Untertanen nicht ins Unermessliche wächst und wie man das Gesamtgefüge in ein sinnvolles Steuersystem einbettet. Nach seiner Auffassung hatte der Aufbau einer verlässlichen, sich an Gesetzen orientierenden Ordnung zugleich Selbstzweck des Staates zu sein, der damit auch Dienst an seinen Bewohnern tat. „Eine solche Sicht war bahnbrechend für jene Zeit“, erklärt Lück. Schon deshalb könne besagtes Buch als Beginn der modernen und wissenschaftlich begründeten Verwaltungslehre gelten.

Von Seckendorff, am 20. Dezember 1626 in Herzogenaurach geboren, stammte aus einer weit verzweigten Familie. Sein Vater war unter dem Vorwurf des Verrats 1642 von den Schweden in Salzwedel hingerichtet worden. Wohl aus Gewissensgründen erhielt Veit Ludwig von Königin Christina von Schweden ein Stipendium. Damit ausgestattet studierte er an der Universität Straßburg Philosophie, Jura und Geschichte.

1645 kam er nach Gotha an den Hof von Herzog Ernst von Sachsen-Gotha, wo er den Aufbau der herzoglichen Bibliothek organisierte. 1664 wurde er dort als Kanzler an die Spitze der Verwaltung des Hofes berufen. In diesem Amt reformierte er unter anderem das Finanzwesen und kam schließlich 1664 als Kanzler und Oberkonsistorialpräsident an den Hof des Herzogs Moritz von Sachsen-Zeitz.

Der Ruf, der ihm schließlich in Halle vorauseilte, war exzellent. Als Staatsmann und Staatstheoretiker war er eine herausragende Persönlichkeit. Die von ihm begründete Verwaltungslehre ging zu jener Zeit in die juristische Ausbildung an den Universitäten ein. Selbst der alle und alles überragende in Halle lehrende Christian Thomasius, Gründungsmitglied der Juristischen Fakultät, griff von Seckendorffs Erkenntnisse auf und entwickelte sie weiter. „Man kann davon ausgehen, dass die beiden sich persönlich gekannt haben müssen“, sagt Lück. Schließlich hielt Thomasius später auch die Trauerrede auf von Seckendorff.

Seckendorffs Wirken in Halle war kurz, aber segensreich. Überliefert ist, dass er sich an der Universität erfolgreich als Streitschlichter betätigte. Hintergrund war eine theologische Auseinandersetzung zwischen pietistischen Professoren um August Hermann Francke und der evangelischen Stadtgeistlichkeit. Dabei warfen letztere den Pietisten vor, eine Irrlehre zu verbreiten. Mit Verhandlungsgeschick schaffte es von Seckendorff, diesen Streit beizulegen. Er endete mit einer Vereinbarung, die beide Parteien am 18. Dezember 1692 unterzeichneten. Noch am selben Tag verstarb von Seckendorff in Halle, zwei Tage vor seinem 66. Geburtstag.

„Auch wenn er nur kurze Zeit hier gewirkt hat, so war er für die Universität dennoch von großer Bedeutung“, sagt Lück. Auch deshalb treibt ihn der Umstand um, dass im Thüringischen Staatsarchiv Altenburg ein äußerst interessanter Quellenfundus lagert. Dort nämlich befindet sich das in weiten Teilen noch unbearbeitete Familienarchiv der Familie von Seckendorff. Lück selbst hat für den Ankauf des Familienarchivs durch den Freistaat Thüringen 2007 ein wissenschaftliches Gutachten erstellt. „Dieser Nachlass ist ein riesiger Schatz, auf dessen Hebung man in der wissenschaftlichen Gemeinde sehnsuchtsvoll wartet.“

Inzwischen hat sich die Forschungsbibliothek Gotha vorgenommen, zunächst den reich überlieferten Briefwechsel in Gotha und Altenburg zu erfassen. Dies, so Lück, sei nach langer Zeit des Schlummerns im Verborgenen ein überaus hoffnungsvoller Auftakt. Er kann es kaum erwarten: „Sobald dieses Inventar vorliegt, wird es gewiss zum Impulsgeber für eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung der Gelehrtenkorrespondenz Seckendorffs.“

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