Verovaccines: Impfstoff-Entwickler auf Erfolgsspur

07.08.2018 von Katrin Löwe in Im Fokus, Forschung
Tierseuchen stellen die Landwirtschaft vor immer größere Herausforderungen, der Bedarf an wirksamen Impfstoffen ist enorm. An dieser Stelle setzt das hallesche Spin-off-Unternehmen Verovaccines mit der Entwicklung neuartiger Impfstoffe auf Hefebasis an. Eine weitere Hürde ist dabei nun genommen: Im Rahmen des GO-Bio-Programms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wird es auch in den nächsten drei Jahren mit 3,1 Millionen Euro gefördert.
Im Labor im Proteinzentrum der Uni findet weiter Grundlagenforschung statt - hier Benita Schmitz.
Im Labor im Proteinzentrum der Uni findet weiter Grundlagenforschung statt - hier Benita Schmitz. (Foto: Maike Glöckner)

Die Verovaccines GmbH, 2017 aus der Martin-Luther-Universität (MLU) ausgegründet, ist das erste über die „Gründungsoffensive Biotechnologie“ geförderte Unternehmen in Sachsen-Anhalt. „Bundesweit spielen wir in der Top-Liga mit“, sagt Verovaccines-Geschäftsführer Dr. Hanjo Hennemann über die weitere GO-Bio-Förderung. Denn: Die Konkurrenz ist grundsätzlich groß. Aus 723 Bewerbungen, die seit 2005 beim Bundesministerium eingegangen sind, sind bislang insgesamt 58 GO-Bio-Projekte geworden – das hallesche ist eines davon. „Über die erneute Förderung bin ich sehr froh und stolz“, sagt auch Mit-Geschäftsführer Prof. Dr. Sven-Erik Behrens, der am Institut für Biochemie und Biotechnologie im neuen Proteinzentrum forscht. In Sachsen-Anhalt sei es seines Wissens nach nicht nur das bisher einzige Projekt – „die Phase 2 schaffen auch nur sehr wenige“. GO-Bio geht über eine reine Forschungsförderung hinaus und baut eine Brücke in die Unternehmensphase. Das Interesse des Marktes sei auf internationaler Ebene bereits da, heißt es in Halle. Das Unternehmen befindet sich laut Hennemann in konkreten Kooperationsverhandlungen mit einem internationalen Pharmaunternehmen, das bereits auf eigene Kosten einen der Verovaccines-Impfstoffe mehrfach erfolgreich getestet hat. „Das ist schon ein sehr starkes Markt-Feedback“, so Hennemann.

Dr. Hanjo Hennemann (li.) und Prof. Dr. Sven-Erik Behrens
Dr. Hanjo Hennemann (li.) und Prof. Dr. Sven-Erik Behrens (Foto: Maike Glöckner)

Vor etwa zehn Jahren war an der MLU die Idee entstanden, mit Hilfe der Milchhefe Kluyveromyces lactis und Virusbestandteilen preisgünstige und hochwirksame Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten bei Tieren herzustellen. In der ersten, der „akademischen“, GO-Bio-Phase ist dieses Vorhaben seit 2013 bereits mit 3,2 Millionen Euro gefördert worden. Beantragt wurde dies als Folge eines bereits zuvor vom Bund unterstützten Projektes, das 2008 in Halle gemeinsam mit der Molekulargenetikerin Prof. Dr. Karin Breunig begonnen wurde.

Der Zeitraum zeigt: Für die Forschung braucht es einen langen Atem. Behrens spricht von sehr teuren und aufwändigen experimentellen Studien. Es gehe um ein völlig neues Prinzip. „Das erfordert umso mehr Tests und Optimierungsarbeiten, um sicher zu sein, dass die Ergebnisse korrekt sind“, sagt er. Bei der Neuentwicklung von Verovaccines werden anders als bei herkömmlichen Impfstoffen nicht komplette „entschärfte“ Viren, sondern nur einzelne virale Proteine genutzt. Sie werden in genetisch modifizierter Hefe produziert. Nach der prä-klinischen Phase, in der sich das Projekt immer noch befinde, müsse es eine klinische Phase geben, um für die Zulassung belastbare Daten zu Sicherheit und Wirksamkeit zu erhalten, so Behrens.

„Wir haben inzwischen Wirksamkeitsnachweise, dass die Technologie funktioniert und die Impfstoffe im Tier wirken“, sagt Hennemann. Gearbeitet wird aktuell an Impfstoffen für Geflügel-Bursitis, die Vogelgrippe oder die virale Diarrhoe bei Rindern sowie neu an zwei weiteren Stoffen für Schweine und Wiederkäuer. Drei dieser fünf Entwicklungen seien bereits mit Proof-of-Concept-Daten im Zieltier validiert, so Hennemann. In der zweiten GO-Bio-Phase sollen nun noch die Hefestämme optimiert und Daten für eine Zulassung der Impfstoffe generiert werden. „Mit einer ersten Zulassung rechnen wir 2022“, sagt der Geschäftsführer. Zudem wird an Kombinationsimpfstoffen gearbeitet, die gegen mehrere Krankheiten gleichzeitig oder verschiedene Varianten eines Erregers eingesetzt werden können – auch hier gibt es bereits eine Patentanmeldung. „Wir brauchen neue Impfstoffe, die mit vertretbarem Aufwand verabreicht werden können“, betont Hennemann. Er verweist zudem auf weitere Vorteile der Verovaccines-Produkte. Sie seien nicht nur besonders sicher, weil nur die Virus-Bestandteile genutzt werden, die nötig sind, damit sich im Körper eine schützende Immunantwort bilden kann. Die Impfstoffe seien auch hitzestabil. Im Gegensatz zu vielen anderen, bei denen die Kühlkette nicht unterbrochen werden darf, könnten sie bei Raumtemperatur gelagert werden. „In Schwellen- und Entwicklungsländern ist das ein Riesenthema“, so Hennemann.

Finanziert wird die zweite GO-Bio-Phase zu 70 Prozent über die öffentlichen Fördermittel. Für die nun notwendige Gegenfinanzierung sei ein Konsortium aus einem Wagniskapital-Unternehmen und mehreren privaten Geldgebern, so genannten Business Angels, gewonnen worden, so Hennemann. Gerade in den Lebenswissenschaften gilt die Investorensuche wegen der langen Entwicklungszeiten und des Risikos als schwierig. Verovaccines hat derzeit acht Mitarbeiter.

Das Projekt hätte auch insgesamt an eine bereits etablierte Firma abgegeben werden können. „Damit hätten wir aber die Möglichkeit zur Eigengestaltung und, wie wir meinen, auch zum Erfolg aus der Hand gegeben“, sagt Behrens. Ziel sei natürlich der Markteintritt. An den denke er aber erst, wenn alle Hürden gemeistert sind. GO-Bio helfe, überhaupt in diese Richtung zu arbeiten. Die MLU sei dabei eine große Stütze, sie sei im Sinne des Wortes ausgründungsfreundlich. Und: „Für die MLU ist GO-Bio natürlich auch ein weiterer Stein zu mehr bundesweiter und industrieweiter Sichtbarkeit.“

 

Dr. Hanjo Hennemann
Verovaccines GmbH
Telefon: +49 345 131428-90
E-Mail: h.hennemann@verovaccines.org

Prof. Dr. Sven-Erik Behrens
Institut für Biochemie & Biotechnologie
Telefon: +49 345  55-24960
E-Mail: sven.behrens@biochemtech.uni-halle.de

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