„Es wird immer Ereignisse geben, die HauS mobilisieren“

24.10.2024 von Katrin Löwe in Campus, Internationales
Vor 30 Jahren wurde an der MLU der Verein „Hilfe für ausländische Studierende“ (HauS) gegründet, um unverschuldet in Not geratenen internationalen Studentinnen und Studenten finanziell unter die Arme zu greifen. Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer, ehemaliger Vorsitzender, und seine aktuell amtierende Nachfolgerin Prof. Dr. Heike Kielstein erinnern sich an besondere Momente und ziehen Bilanz.
Heike Kielstein und Bernd Fischer im Interview
Heike Kielstein und Bernd Fischer im Interview (Foto: Markus Scholz)

Wie ist der Impuls zu der Vereinsgründung entstanden? Geschehen ist das ja in einer Zeit, in der die Universität eigentlich noch mit sich selbst und ihrer Neustrukturierung nach der Wende beschäftigt war …
Bernd Fischer: Auf diesem Weg relativ unbürokratisch Studierenden zu helfen, die in Not geraten sind – das gab es in den 1990er Jahren bereits an mehreren Universitäten. Verena Buchholtz, später die erste Geschäftsführerin des Vereins, Professor Gunnar Berg und weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter hatten davon gehört. Sie brachten die Gründung auf den Weg.

Gab es zu der Zeit viele ausländische Studierende in Halle?
Fischer: Das weiß ich gar nicht. Ich glaube, es war einfach nachvollziehbar, dass sowohl deutsche als auch ausländischen Studierende unerwartet in Not geraten – und dass es ausländische Studierende dann deutlich schwerer haben, da wieder herauszukommen. Ich selbst habe zwei Jahre als Postdoc und Gastprofessor im Ausland gelebt, in Cambridge in England und Madison in den USA. Zu wissen, dass es manchmal ganz schön schwierig ist, im Ausland Fuß zu fassen und Alltagsprobleme zu lösen, war mir noch sehr gegenwärtig, als ich 2008 den Vereinsvorsitz übernommen habe.

Hat sich die Arbeit des Vereins im Laufe der Jahre verändert? Oder anders gefragt: Haben sich die Probleme der Studierenden verändert, die Hilfe benötigten?
Fischer: Die Notlagen waren eigentlich immer vergleichbar. In der Regel ist plötzlich die Hilfe von Zuhause ausgeblieben – zum Beispiel, weil es in den Heimatländern politische Umstürze gab oder Familienmitglieder verstorben sind.

Heike Kielstein: Es ist tragisch, dass sich die Gründe wiederholen. Wenn ich an Studierende aus Afghanistan oder dem Iran denke, die Leid erfahren haben, geflohen sind, sich hier redlich bemühen und dann an einen Punkt kommen, an dem nichts mehr geht, weil vielleicht auch noch der Nebenjob wegbricht ... Diese Traurigkeit darüber nimmt man mit und wird nur noch wütender, wenn man die Nachrichten aus dem Iran oder Afghanistan hört – weil man jetzt Gesichter dazu hat.

Fischer: Es gab noch einen besonderen Ausnahmefall: Nach dem Mord an der bulgarischen Studentin Mariya Nakovska im Jahr 2014 haben wir mit Spenden die Überführung ihres Leichnams nach Bulgarien mitfinanziert. Sie war das einzige Kind ihrer Eltern und mit vielen Erwartungen nach Halle zum Studium gekommen, ihr Tod und dessen Umstände waren so schrecklich ...

Wie viele Studierende konnte HauS bereits unterstützen?
Kielstein: Im Durchschnitt sind es in den vergangenen 30 Jahren zwischen 20 und 40 pro Jahr gewesen. Die Zahlen sind schwankend. Es gab durchaus Jahre, in denen wir fast alle Mittel ausgereicht haben. Und dann wieder ein Jahr mit nicht einmal einer Handvoll Anträgen – obwohl sich die Krisensituationen in der Welt leider nicht groß verändert hatten. Dann kam der Ukraine-Krieg und mit ihm sehr viele ukrainische und russische Studierende, die Hilfe benötigten. Damals waren wir sehr froh, dass die Spenderinnen und Spender mit uns mitgegangen sind, als wir gesagt haben, dass wir auch Studierende aus Russland unterstützen möchten.

Wobei genau greift HauS den jungen Menschen unter die Arme?
Kielstein: Das ist tatsächlich eine Besonderheit. Wir zahlen kein Stipendium, keinen monatlichen Zuschuss. Was wir leisten, ist eine einmalige, relativ unbürokratische Unterstützung – danach muss es eine andere Lösung geben. Das heißt, wir übernehmen im Notfall die Miete, die Krankenkassenbeiträge oder das Semesterticket.

Fischer: Im Ausnahmefall haben wir jemanden auch zweimal unterstützt, da wird aber schon geschaut, was in der Zwischenzeit passiert ist.

Kielstein: Wir achten auch darauf, dass wir denjenigen helfen, die ihr Studium hier wirklich abschließen wollen und können. Ein Student im 16. Semester ohne eine einzige bestandene Prüfung – das wäre ein Ausschlusskriterium. Abgesehen von der direkten Hilfe vermitteln wir aber auch weiter, in jüngerer Vergangenheit deutlich intensiver. Es gibt ja nicht nur uns, es gibt zum Beispiel die Evangelische Studierendengemeinde und ihren Notfonds für ausländische Studierende, das International Office oder auch das Studentenwerk.

Fischer: Wenn wir den Eindruck hatten, dass es besonders leistungsstarke Studierende sind, haben wir auch schon an Stiftungen politischer Parteien verwiesen. Eine Studentin haben wir zum Beispiel für ein Stipendium an die Friedrich-Ebert-Stiftung vermittelt. Ab da hatte sie eine relativ sichere Finanzierung ihres Studiums. Diese Beratung gehört auch zu unserem „Job“. Was mir an der Stelle wichtig ist: Die Hauptarbeit in meiner Amtszeit hat die Vereins-Geschäftsführerin Dr. Margarete Wein geleistet.

Und woraus finanzieren der Verein selbst sich?
Fischer: Aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. 2012 hatten wir zum ersten Mal eine dreistellige Mitgliederzahl – sie liegt seitdem relativ stabil bei um die 100. Spenden erhalten wir zum Beispiel, wenn jemand zu einem runden Geburtstag statt um Geschenke um Geld für unseren Verein bittet.

Kielstein: Nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine gab es zwei Benefizkonzerte und Spendenaufrufe, damals sind allein dadurch mehr als 30.000 Euro zusammengekommen. Unterstützt werden wir auch aus dem Stiftungsfonds der MLU. Je nach Spendenaufkommen können wir so jährlich zwischen 20.000 und 40.000 Euro ausreichen.

Wie sieht die Mitgliederwerbung aus?
Fischer: Einmal habe ich mehrere Ärzte mit ausländischen Wurzeln angeschrieben, leider ohne Erfolg. Regelmäßig haben wir in Briefen an die neu berufenen Professorinnen und Professoren der MLU auf uns aufmerksam gemacht. Es wäre schön, wenn mehr von unseren Neuen Mitglied würden. Das Geld wird gebraucht, ohne Wenn und Aber.

Kielstein: Wir schreiben immer noch Neuberufene an, machen auf Veranstaltungen auf HauS aufmerksam. Und ich habe gerade vor der Sommerpause die Dekane gebeten, dass sie in den Fakultätsräten auf den Verein hinweisen. Auch die Studierenden kennen uns nicht alle.

Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft werfen …
Kielstein: Ich fürchte, dass es den Verein weiter geben muss ...

Das ist eine interessante Formulierung.
Kielstein: … weil es immer Ereignisse auf der Welt geben wird, die HauS mobilisieren. Wir sind engagiert, überlegen ständig, wie wir bekannter und sichtbarer werden – und machen unseren Job einfach weiter. Er gibt einem ja auch sehr viel zurück, man freut sich, wenn man unterstützen kann. Viele Studierende sind wirklich zutiefst dankbar.

Fischer: Ich erinnere mich an einen ehemaligen Studenten, der kurz vor dem Abschluss in finanzielle Turbulenzen gekommen war. Er konnte mit unserer Hilfe das Medizinstudium erfolgreich abschließen. Er ist später Mitglied im Verein geworden und gilt unabhängig davon in seinem Kreis als sehr hilfsbereiter Kollege. Auch solche Geschichten geben viel zurück.

Zum Verein

Zur Website des Vereins: https://www.haus.uni-halle.de/

Aktuelle Sprechstunden: Prof. Dr. Patrick Wagner, jeden 1. Donnerstag im Monat, 15 bis 16 Uhr, Raum 1.63.0, Emil-Abderhalden-Str. 26-27 (Steintor-Campus), 06108 Halle.

Spendenkonto: Zahlungsempfänger: HauS e.V.
Hypo Vereinsbank Halle
Konto-Nr.: 5100201323
BLZ 80020086
IBAN: DE05800200865100201323
BIC: HYVEDEMM440

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