Johann Joachim Winckelmann - "Urvater" der Archäologie

18.10.2013 von Margarete Wein in Rezension, Wissenschaft
Eben hat an der halleschen Uni das Wintersemester begonnen, und wie seit Jahrhunderten tummeln sich mit den „alten Hasen“ die Neuen – von denen heute noch niemand zu sagen weiß, was aus ihnen werden wird.

So ein Greenhorn war vor exakt 275 Jahren (indes schon mit Beginn des Sommersemesters) der später weithin bekannte und berühmte Altertumsforscher Johann Joachim Winckelmann. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, kam für ihn zunächst kein anderes als das Studium der Theologie in Frage. Doch neben den Pflichtfächern (hier hörte er u. a. Siegmund Jakob Baumgarten und Johann Joachim Lange) belegte er in Halle – später wechselte er nach Jena und zur Medizin – von Anfang an Vorlesungen zur Literatur und Ästhetik.

Cover des Buches von klaus-W. Haupt
Cover des Buches von klaus-W. Haupt

Von permanenter Geldnot ständig zu Nebenjobs genötigt, brachte er es aber an keiner der beiden Universitäten zu einem ordentlichen Abschluss. Trotzdem verdiente er bald als Lehrer (in Hadmersleben und Seehausen) sowie als Bibliothekar auf Schloss Nöthnitz sein Brot. Seit Anfang der 1750er Jahre widmet er sich, von Gönnern gefördert, eigenen Kunststudien in Dresden. Dass er dort am 17. September 1754 in der Privatkapelle des damaligen päpstlichen Nuntius Alberico Archinto zum Katholizismus konvertierte, dürfte ihm die ersten Schritte auf dem ersehnten Weg nach Italien erleichtert haben.

Ein Jahr, zwei Monate und einen Tag später, am 18. November 1755, durchschritt er zum ersten Mal die Mauern der Ewigen Stadt. Dank eines großzügigen Stipendiums von Kurfürst Friedrich August II. führt er von nun an das freie Leben eines weitgehend unabhängigen Gelehrten.

Während er viele Bekanntschaften macht – er lernt er den Maler Anton Maron kennen, Angelika Kauffmann und Giovanni Battista Casanova, erwirkt eine Audienz bei Papst Benedikt XIV. – und seiner Absicht folgt, in Rom griechische Handschriften und antike Kunstwerke zu studieren, verfasst er seine „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst“ und bald darauf die berühmte „Beschreibung des Torso im Belvedere zu Rom“.

Winckelmann darf zudem (überall als Leser, teils als Bibliothekar, als Vatikanschreiber sogar) in bibliophilen Kostbarkeiten schwelgen: in den Bibliotheken von Kardinal Domenico Silvio Passionei und Kardinal Alberico Archinto, in der Vatikanischen Bibliothek und in der des Altertumskenners Kardinal Alessandro Albani.

1758 reist Winckelmann erstmals zu den antiken Ausgrabungen: nach Neapel und Paestum, dann nach Florenz, später nach Pompeji und Herculanum. Ein (das) Resultat dieser Reisen ist 1762 das „Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen“ – die Geburtsurkunde der modernen Archäologie als Wissenschaft.

Dass sich der gelehrte Autodidakt unermüdlich weiterbildet, trägt reiche Früchte: 1759 wird er (neben den ohnehin bestehenden Aufgaben) zum Kurator der Museumsvilla Albani und 1763 zum Oberaufseher aller Altertümer in und um Rom ernannt und fungiert fortan als Cicerone für ausländische Besucher, zum Beispiel für die Erbprinzen Georg August von Mecklenburg-Strelitz und Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, für den Freiherrn Carl Theodor von Dalberg sowie für Fürst Leopold II. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (nebst seinen Bruder Johann Georg, dem Oberhofmeister Georg Heinrich von Berenhorst – der die „Grand Tour“ der Herren sechs Jahre später akribisch beschrieb – und den Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff).

Schmerzlich ist es für Winckelmann, dass der nächste Papst, Clemens XIII. im Jahr 1759 befiehlt, allen antiken „Statuen ein Blech vor den Schwanz [zu] hängen“ und mit diesem (bis heute sichtbaren) barbarischen Akt die „edle Einfalt und stille Größe“ der antiken Originale empfindlich stört. Unverblümt macht er mit spitzer Feder seinem Ärger Luft, wie man es bei Goethe – „Winckelmann und sein Jahrhundert“ – nachlesen kann.

All dies und zahllose weitere Details aus der „Causa Winckelmann“ hat der Autor des Buches zusammengetragen und zu einem leicht lesbaren, kurzweiligen Lebensbild vereint.

> Klaus-W. Haupt: Die zwei Federn des Johann Winckelmann oder Wer sein Glück erkennt und nutzt, der ist es wert! 128 Seiten, Printed in Germany 2012, ISBN 978-3-00-038509-4

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Kommentare

  • Ron am 30.05.2018 10:40

    "Über alles förderte ihn das Glück, ein Hausgenosse des Kardinal Albani geworden zu sein. Dieser, der bei einem großen Vermögen und bedeutendem Einfluß von Jugend auf eine entschiedene Kunstliebhaberei, die beste Gelegenheit, sie zu befriedigen, und ein bis ans Wunderbare grenzendes Sammlerglück gehabt hatte, fand in späteren Jahren in dem Geschäft, diese Sammlung würdig aufzustellen und so mit jenen römischen Familien zu wetteifern, die früher auf den Wert solcher Schätze aufmerksam gewesen, sein höchstes Vergnügen, ja den dazu bestimmten Raum nach Art der Alten zu überfüllen, war sein Geschmack und seine Lust. Gebäude drängten sich an Gebäude, Saal an Saal, Halle zu Halle; Brunnen und Obelisken, Karyatiden und Basreliefe, Statuen und Gefäße fehlten weder im Hofnoch Gartenraum, indes große und kleinere Zimmer, Galerien und Kabinette die merkwürdigsten Monumente aller Zeiten enthielten. Im Vorbeigehen gedachten wir, daß die Alten ihre Anlagen durchaus gleicherweise gefüllt..."