Fünf Jahre nach Fukushima: Erneuerbare Energien und Hip-Hop

14.11.2016 von Katharina Ziegler in Campus
Musik tönt aus den Boxen der Sporthalle Kröllwitz, 60 Studierende sitzen im Halbkreis und klatschen zum Takt. In der Mitte wirbelt Reo Sato in Breakdance-Figuren über den Boden. Er ist einer von 23 Studierenden der Universität Fukushima, die im Rahmen einer Deutschlandreise in der vergangenen Woche für drei Tage die Universität Halle besucht haben. Die Gruppe wollte sich über alternative Energien und den Atomausstieg informieren und außerdem über die aktuelle Situation in Fukushima, die Atompolitik und die Entwicklung in der Region berichten.
Studierende von der Universität Fukushima beim Hip-Hop-Kurs des halleschen Universitätssportzentrums.
Studierende von der Universität Fukushima beim Hip-Hop-Kurs des halleschen Universitätssportzentrums. (Foto: Michael Deutsch)
Der japanische Student Reo Sato beim Breakdance.
Der japanische Student Reo Sato beim Breakdance. (Foto: Michael Deutsch)

Das Tanzen ist eine willkommene Abwechslung zum vorhergehenden Programmpunkt: Als die Gäste an diesem Donnerstagnachmittag über das Leben in Fukushima und die Energiepolitik in Japan berichten, ist der Hörsaal B im Melanchthonianum voll besetzt, selbst die Stehplätze werden knapp. Die Japanologin Prof. Dr. Gesine Foljanty-Jost von der Universität Halle hat gemeinsam mit ihrem Team Interessierte zu einer öffentlichen Vortragsveranstaltung eingeladen. Das Thema: „Fukushima – 5 Jahre danach“.

In ihrer Begrüßung betont Foljanty-Jost, dass der Austausch eine ganz besondere Chance bietet: „Im letzten Jahr habe ich ein Seminar zu der Situation in Fukushima nach dem Unglück gehalten. Wir haben viel dazu gelesen, aber der persönliche Zugang hat uns natürlich gefehlt. Der Besuch heute bietet uns eine einmalige Chance, Informationen direkt von Betroffenen zu erhalten.“

2011 waren nach einem Erdbeben, einem Tsunami und dem Reaktorunfall weite Teile der Gegend unbewohnbar geworden. Deutschland hatte daraufhin den Atomausstieg beschlossen, während in Japan weiter auf die Nutzung der Atomenergie gesetzt wird. Das große Interesse der Besuchergruppe richtet sich daher auch auf die Fragen, wie der Atomausstieg in Deutschland möglich geworden ist, wie die Energieversorgung in Deutschland gesichert ist, und wie die Bevölkerung dazu steht.

Die Studierenden halten die Vorträge auf Japanisch. Für die Verständigung sorgt eine Übersetzerin, die die Gruppe begleitet. Ein Student erläutert, warum Japan weiterhin an der Atomkraft festhält. Er führt das vor allem auf die Unterschiede zwischen Städten und ländlichen Regionen zurück. So sei die Peripherie auf die Atomkraftwerke angewiesen, da diese Geld bringen und auch Arbeitsplätze schaffen würden. Die Städte verbrauchten den dort produzierten Strom. Gleichzeitig sei ihre Situation komfortabel: Sie sind in sicherer Entfernung.

Besonders beeindruckend ist der sehr persönliche Bericht eines Studenten über seinen Alltag in Fukushima. Dabei wird deutlich: Der Unterschied zum Leben in Deutschland ist gar nicht so groß. Der Student steht morgens auf, joggt, isst zu Mittag und geht am Abend zu einem Basketballspiel. Trotzdem sind die Spuren der Atomkatastrophe allgegenwärtig. Hinter dem Haus der Familie liegen – wie bei allen Häusern in der Nachbarschaft – Plastiksäcke mit abgetragenem, kontaminiertem Boden und Blättern. Die Familie wartet darauf, dass er abgeholt wird. Wann das sein wird, weiß sie nicht, denn ein Zwischenlager für den Atommüll existiert noch nicht.

Die Reaktion von Seiten der Deutschen lässt nicht lange auf sich warten: Anja Sips, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Japanologie in Halle, richtet sich an die Gäste: „Haben Sie keine Angst?“ Eine Studentin aus Fukushima antwortet, dass sie 2011 betroffen gewesen sei, jetzt aber wolle sie nicht mehr daran erinnert werden und auch nicht mehr daran denken. Dennoch sehe sie in den Seminaren an der Universität und bei diesem Austausch, dass es wichtig ist, die Katastrophe nicht zu vergessen. Neben drei Vorträgen der Gäste schildert auch Lasse Joos, Sprecher der Grünen Hochschulgruppe Halle, die Energiewende in Deutschland.

Nach der Wärme im Hörsaal sorgt die Fahrt zum Hip-Hop-Kurs in die Sporthalle Kröllwitz für Erfrischung. Professor Taro Daikoku von der Universität Fukushima betont, wie wichtig das Tanzen für die Verständigung zwischen den Kulturen sei: „Die Studierenden sprechen kein Deutsch und auch nicht so gut Englisch. Aber beim Tanzen kann man ohne zu reden zusammen sein und Spaß haben.“

Seit vielen Jahren organisiert der Politikwissenschaftler für seine Studierenden solche Reisen nach Deutschland, damit die Katastrophe nicht vergessen wird. Dass Kommunikation nicht immer Worte braucht, zeigt auch die spontane Reaktion von zwei Hip-Hoppern der Uni Halle. Nach der Tanzeinlage der Gäste springen auch sie auf und zeigen ihr Können. Ein Tanz-Battle – die Zuschauer sind begeistert. 

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