Familien und mehr: Bei Andrea Ritschel werden Diversitätsthemen gebündelt

26.05.2023 von Katrin Löwe in Personalia, Hochschulpolitik
Mehr als zehn Jahre lang hat sie das Familienbüro der Universität geleitet. Inzwischen ist Dr. Andrea Ritschel Referentin für Vielfalt und Chancengleichheit in der gleichnamigen Stabsstelle der Rektorin – und koordiniert unter anderem ein Projekt in der von der Hochschulrektorenkonferenz geförderten Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“. Es startet im Juni.
Andrea Ritschel ist Referentin für Vielfalt und Chancengleichheit
Andrea Ritschel ist Referentin für Vielfalt und Chancengleichheit (Foto: Markus Scholz)

Ihr Vater hat ihr einmal gesagt, für das, was sie im Familienbüro der Universität tue, hätte sie nicht Jura studieren müssen. Wenn Andrea Ritschel heute von dieser kleinen familieninternen Diskussion erzählt, sagt sie noch immer deutlich: Nein, es war gut, dass sie Jura studiert habe. Damit könne sie immer noch etwas „on top“ bieten, weil gerade dieses Wissen es enorm erleichtert habe, reelle Möglichkeiten und Spielräume aufzuzeigen. Ein Familienbüro, erklärt sie, sei für sie mehr als der Service, eine Kinderbetreuung zu organisieren. Andrea Ritschel erklärt dann den Kulturwandel in der Familienpolitik in den vergangenen 20 Jahren: vom Erziehungsurlaub mit minimalen Bezügen in den 1990er Jahren über das Bundeselterngeldgesetz von 2006 mit festgelegten Entgeltersatzleistungen bis hin zu dessen heutigen Regelungen. Entscheidend sei am Ende stets die konkrete und individuelle Umsetzung an der Universität innerhalb des gesetzlichen Rahmens gewesen. Als Juristin habe sie dabei im Familienbüro das anwenden können, womit sie sich wissenschaftlich beschäftigt habe: dem Arbeits- und Sozialrecht. Häufig sei es schließlich „Übersetzungsarbeit“ gewesen, das Erklären von Regelungen, das Ausloten von Gestaltungsmöglichkeiten.

Andrea Ritschel hat ab 1996 an der Uni Halle Rechtswissenschaft studiert und nach Zwischenstationen in Paris, Straßburg (Frankreich) und Padua (Italien) am Lehrstuhl des halleschen Sozial- und Arbeitsrechtlers Wolfhard Kohte in einem rechtsvergleichenden Projekt gearbeitet. Auch nach ihrem Referendariat in Leipzig kehrte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die MLU zurück. 2012 bewarb sie sich – mittlerweile Mutter einer Tochter – auf die halbe Stelle als Leiterin des Familienbüros. „Die Entscheidung für die unbefristete Stelle im Familienbüro war eine bewusste Entscheidung für die Vereinbarkeit von Promotion, Beruf und Familie.“ Gut zehn Jahre hat sie die Position innegehabt. In dieser Zeit wurde sie nicht nur promoviert. Die Universität hat seitdem mehrfach die Auditierung „familiengerechte Hochschule“ durchgeführt, darf das entsprechende Zertifikat mittlerweile dauerhaft tragen. Erst im vergangenen Jahr ist das Engagement der MLU in punkto Familienfreundlichkeit erneut gewürdigt worden.

Die Erfahrungen aus dem Familienbüro und aus ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte ihrer Fakultät (2010 bis 2012) sowie später als stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Universität hat Andrea Ritschel mit in ihre neue Funktion genommen. In ihr ist sie seit wenigen Monaten tätig: als Referentin in der 2019 geschaffenen Stabsstelle Vielfalt und Chancengleichheit. Dort, sagt sie, gelte es die Gemeinsamkeiten von den bis zur Gründung der Stabsstelle parallel arbeitenden Bereichen wie Familiengerechtigkeit, Gleichstellung, Inklusion oder Antidiskriminierung zu unterstreichen, die Themen zu bündeln und zu verzahnen. „Die Universität ist unter vielen Perspektiven vielfältig. Wichtig ist es, dies nach außen zu zeigen, nach innen den Mitgliedern den Mehrwert zu vermitteln und zu Unterstützungsmechanismen zu informieren, wo diese gebraucht werden“, sagt Andrea Ritschel. Und: „Wir müssen das Rad am Laufen halten.“ Zum einen um die Unterstützung der Universitätsleitung und der -gremien zu sichern – erst 2021 hat der Senat ein „Diversity Statement“ verabschiedet. Zum anderen verlange die Deutsche Forschungsgemeinschaft zum Beispiel, dass weitere Vielfaltsthemen identifiziert werden, mit denen sich die Universität auseinandersetzt. „Wir müssen uns also fragen: Was bedeutet Vielfalt für uns als Universität, wo wollen wir Schwerpunkte setzen?“

Antworten darauf sollen unterstützt durch die Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ gefunden werden. Die MLU ist eine von 33 Hochschulen bundesweit, die dabei von der Hochschulrektorenkonferenz mit Mitteln des Bundes bei der Weiterentwicklung von Diversitätskonzepten unterstützt werden. In dem mit 25.000 Euro geförderten halleschen Projekt wurden unter dem Titel „Vielfalt sichtbar machen – Diversität erleben – Diskriminierungsrisiken abbauen“  verschiedene Workshops für Mitglieder der Universität, aber auch aus Partnereinrichtungen konzipiert. Dabei geht es zunächst um das Monitoring von Diversität, die Erfassung eines Status quo – ausgehend zum Beispiel von dem vor wenigen Jahren gestarteten Gendercontrolling. Mögliche Synergien und Lücken in der Beratung sind ebenso Thema wie E-Learning-Kurse zu Diversitäts- und Diskriminierungsthemen sowie die Entwicklung interaktiver und spielerischer Formate, um für Diskriminierung zu sensibilisieren und Unterstützungsangebote sichtbar zu machen. Das Projekt startet im Juni und läuft bis zum April 2024.

Eine besondere Herausforderung ist die Abstimmung mit dem zeitgleich laufenden Hochschulentwicklungsprozess. Andrea Ritschel ist aber bereits sicher: „Egal, wie die Schwerpunkte der Universität künftig aussehen: Vielfaltsperspektiven werden immer eine Rolle spielen.“ Bereut hat die 45-Jährige ihren Weg bis heute nicht: Die Arbeit an einer Hochschule, sagt sie, sei einfach spannend, diskursiv – mit begeisterten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studierenden, die immer neuen Wind hereinbringen. Die gebe es aber nur, wenn die Umstände stimmen. Dazu zählen für Ritschel neben Wertschätzung im Umgang miteinander vor allem gute Arbeits- und Studienbedingungen für alle Mitglieder der Uni, für die sie weiterhin gern die Übersetzungsrolle einnimmt. „Das wird nie langweilig.“

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