Ereignisreiche Jahre: Jutta Schnitzer-Ungefug über die Arbeit des Kuratoriums

11.11.2015 von Corinna Bertz in Hochschulpolitik, Campus
Seit vier Jahren leitet Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug das Kuratorium der Universität Halle. Im Oktober wurde die Generalsekretärin der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina für eine zweite Amtsperiode gewählt. Im Interview spricht sie über die Rolle des Gremiums und künftige Herausforderungen.
Prof. Dr. Jutta Schnitzter-Ungefug
Prof. Dr. Jutta Schnitzter-Ungefug (Foto: David Ausserhofer)

Sie haben sich auf der letzten Kuratoriumssitzung zur Wiederwahl als Vorsitzende gestellt. Was reizt Sie daran, Ihre Arbeit fortzusetzen?

Jutta Schnitzer-Ungefug: Meine Kollegen im Kuratorium waren in der konstituierenden Sitzung übereinstimmend der Ansicht, dass ich das Amt noch einmal übernehmen sollte - weil ich in den vier Jahren einen sehr guten Draht entwickelt hatte; zu den einzelnen Universitätsgremien, aber auch zur Politik. Dem wollte ich mich nicht verschließen. Die Rolle der Kuratoriumsvorsitzenden ist spannend. Man braucht viel diplomatisches Geschick und erhält spannende Einblicke darin, wie in den Gremien der Universität Entscheidungen getroffen oder auch nicht getroffen werden.

Welche großen Herausforderungen sehen Sie in den kommenden vier Jahren für das Kuratorium und die Uni Halle?

Die zentralen Fragen sind sicherlich: Wie wird es die Universität verstehen, die im Strukturpapier genannten 100 Stellen abzubauen? Zugleich das Profil zu schärfen und die kleinen Fächer zu erhalten? Das sind aber Diskussionen, in die sich das Kuratorium nur dann einmischt, wenn wir der Meinung sind, dass wir von einer übergeordneten Perspektive aus Rat geben können.

Welche anderen Themen werden in den nächsten vier Jahren auf das Kuratorium zukommen?

Eine weitere Herausforderung ist die Entwicklung der Studierendenzahlen vor dem Hintergrund des Hochschulpakts. Ein anderer Aspekt ist die Frage, welche Studierenden nach Halle kommen werden. Flüchtlinge sind zum Beispiel eine neue Studierendengruppe, die wir gerne begleiten und unterstützen möchten.

Das neue Kuratorium der Universität Halle: Dr. Andreas Keller, Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug, Matthias Lux, Prof. Dr. Rita Süssmuth und Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer (v.l.).
Das neue Kuratorium der Universität Halle: Dr. Andreas Keller, Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug, Matthias Lux, Prof. Dr. Rita Süssmuth und Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer (v.l.). (Foto: Markus Scholz)

Wenn Sie auf Ihre erste Amtszeit als Vorsitzende zurückblicken: Welche Themen haben Sie vor allem beschäftigt?

Das waren vier ereignisreiche Jahre. Die Landesregierung hatte 2011 den Wissenschaftsrat um eine Begutachtung des Hochschulsystems in Sachsen-Anhalt gebeten. Mit Spannung haben alle erwartet, was der Wissenschaftsrat empfiehlt. Interessanterweise ist die Landesregierung dann im März 2013 – ein viertel Jahr bevor der Wissenschaftsrat sein Gutachten abgab – mit Sparmaßnahmen vorgeprescht, die man unbedingt durchsetzen wollte. In diesem Spannungsbogen war es wichtig, dass sich die Universität nicht allein positioniert, sondern dass sich auch Gremien äußern, die als Mittler zwischen Land und Hochschulen auftreten können. Das Kuratorium hat intensive Gespräche mit der Landesregierung geführt. Als dann Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff entlassen wurde, habe ich alle Kuratoriumsvorsitzenden der Hochschulen des Landes angerufen und einen gemeinsamen Offenen Brief initiiert. Wir haben unsere Position kundgetan – und das nicht nur einmal. Wir haben Minister Möllring und Ministerpräsident Haseloff gesagt, was wir von den Sparmaßnahmen halten, welche negativen Auswirkungen zu erwarten sind und wie wichtig es ist, auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrat zu hören. Natürlich haben wir uns auch mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrats auseinandergesetzt und die Uni-Gremien wissen lassen, wo der Wissenschaftsrat aus unserer Sicht gut beraten hat und wo nicht.

Wie hat sich das Kuratorium an der universitätsinternen Diskussion zu den Sparmaßnahmen beteiligt?

Wir haben gegenüber dem Rektorat dargestellt, welchen Weg wir für richtig halten. Bislang ist klar, dass es Einsparungen geben wird und im Rektorat ist man jetzt dabei auszuloten, wie man diese umsetzen und die Universität trotzdem als Volluniversität erhalten kann. Die Universitätsleitung sollte sich fragen, welche Bereiche essentiell sind, und wo durch Kooperationen Strukturveränderungen möglich sind. Wir als Kuratorium haben gesagt: Lasst euch nicht vom Ministerium vorgeben, wo beziehungsweise was zu schließen ist, sondern macht euren eigenen Plan. Ihr seid die Experten. Die MLU ist eine altehrwürdige Volluniversität mit Tradition und das hat Konsequenzen: Sie ist eine Universität mit zahlreichen kleinen Fächern, bei denen man nicht einfach hier und da eines schließen kann. Die Uni Halle muss also darauf achten, keinen Kahlschlag vorzunehmen, sondern die exzellenten kleinen Fächer so gut es geht zu erhalten. Dazu müssen gegebenenfalls auch Lösungen im Verbund mit Leipzig und Jena gefunden werden.

Können Sie einen bestimmten Erfolg benennen, an dem das Kuratorium stark beteiligt gewesen ist?

Wir haben uns zum Beispiel vehement gegen die Schließung der Vorklinik und der Zahnklinik in Halle ausgesprochen, die zwischenzeitlich aufgrund von Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Debatte standen. Wir haben klar formuliert, wieso diese Schließungen aus unserer Sicht große Fehler sind. Keiner von uns Kuratoriumsmitgliedern ist Kliniker, deshalb haben wir uns dazu mit Kollegen bundesweit beraten und auch mit Mitgliedern des Wissenschaftsrats darüber diskutiert. Wir haben sehr gute Gespräche mit dem Dekan Prof. Dr. Michael Gekle und dem Ärztlichen Direktor Dr. Thomas Klöss geführt. Wir haben ihnen geraten, genau zu prüfen, was für Patientenversorgung, Forschung und universitäre Lehre essenziell ist und worauf man möglicherweise verzichten könnte, um Einsparungen zu erbringen und damit dann den Erhalt der Universitätsklinik zu sichern. Und unsere Empfehlungen sind aufgegriffen worden. Die Leitung des Universitätsklinikums hat beschlossen, vier Kliniken zu schließen, die nicht für die Ausbildung in der Humanmedizin notwendig sind. Das war eine mutige Entscheidung. Dazu habe ich Herrn Gekle gratuliert. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Naturwissenschaften wurde gestärkt. Die Schließung der Uniklinik in Halle ist nun vom Tisch.

Sie haben als Kuratoriumsvorsitzende an unzähligen Senatssitzungen teilgenommen und auch die anderen Gremien der Uni erlebt. Welchen Eindruck haben Sie von der Universität Halle gewonnen?

Ich fand es spannend zu beobachten, wie die Gremien der Universität unter den aktuellen Herausforderungen zusammenarbeiten. Überall menschelt es und jeder Entscheidung gehen viele Gespräche voraus. Besonders beeindruckt hat mich im Senat, wie gut vorbereitet die studentischen Senatoren in diese Sitzungen kommen. Auch wenn sie die Dokumente manchmal erst einen Tag zuvor erhalten hatten, kannten sie die Inhalte gut und konnten sich meist hervorragend in die Themen und Diskussionen einbringen.

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