Der Umgang mit Quellen will gelernt sein

14.06.2022 von Tom Leonhardt in Campus
Die Grundlagen für ein Studium der Kultur- und Geisteswissenschaften und die Arbeit mit historischen Quellen werden in einem neuen Angebot vermittelt, das an der Stiftung Leucorea in Wittenberg Ende Juli beginnt. Im Rahmen eines Propädeutikums erhalten Schülerinnen und Schüler grundlegendes Wissen zu historischer Forschung und zur Reformationsgeschichte. Im Interview spricht die Geschäftsführerin der Stiftung Dr. Marianne Schröter über die Hintergründe des Programms.
Historische Quellen in der Stiftung Leucorea - im Propädeutikum geht es auch um den Umgang damit.
Historische Quellen in der Stiftung Leucorea - im Propädeutikum geht es auch um den Umgang damit. (Foto: Stiftung Leucorea)

Was bezwecken Sie mit dem Angebot?
Marianne Schröter: Unsere Erfahrung in der akademischen Lehre zeigt, dass es vielen Studierenden zu Beginn eines Studiums der Kultur- und Geisteswissenschaften noch an der selbstverständlichen Vertrautheit mit den wissenschaftlichen Grundlagen fehlt: Quellen und der Umgang damit, allgemeine Fragen der Methodologie – all das gehört aber zu den Anforderungen einer solchen akademischen Ausbildung. Um die neuen Studierenden in der Eingangsphase nicht zu überfrachten und dieses elementare Wissen gemeinsam zu üben, haben wir das Programm so konzipiert, dass es vor dem Studienbeginn an einer Universität stattfindet.

Was kommt auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu?
Wir haben ein fünftägiges Programm entwickelt, in dessen Rahmen wir uns sehr intensiv mit der Stadt- und Universitätsgeschichte Wittenbergs beschäftigen wollen. Der Schwerpunkt liegt auf Methodologie, der Arbeit am Material. Dazu gehören Fragen wie: Wie nähere ich mich fremden Stoffen an, wie verstehe ich sie? Das kann am Beispiel von deutschsprachigen oder lateinischen Quellen geschehen. Es können normale Texte sein, musikalische Werke, auch Bilder oder Inschriften. Heute sind viele Zeitzeugnisse nicht mehr so einsichtig und uns vertraut. Uns geht es immer darum, den methodischen Zugriff und die Technik des historisch-hermeneutischen Arbeitens zu vermitteln.

Marianne Schröter
Marianne Schröter (Foto: Stiftung Leucorea)

Worum geht es bei der Arbeit ganz konkret?
Wie gesagt, konzentrieren wir uns auf die umfangreichen Quellen der Wittenberger Stadt- und Universitätsgeschichte, es geht also um die Reformation. 2008 ist bei uns dazu das Langzeitforschungsprojekt „Ernestinisches Wittenberg“ gestartet. Bis heute sind nicht alle Quellen ausgeforscht. Wir haben in Wittenberg ein sehr reiches kulturgeschichtliches Quellenerbe, das von Kriegen und Bränden weitgehend verschont blieb. Etwa im Bereich der Steuerlisten und Hausstätten können wir fast lückenlos bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurückgehen. Das bedeutet eine besondere Chance. Außerdem erhält jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer eine Rechercheaufgabe, um das erlernte Wissen direkt anzuwenden: Eine Aufgabe ist zum Beispiel, ein Biogramm eines Universitätsvertreters aus Wittenberg zu erstellen und die Rechercheergebnisse am Ende der Woche zu präsentieren. Eine weitere Einheit befasst sich mit dem Aufbau eines Studiums: Vorlesung, Seminar, Übungen und Exkursionen.

Exkursionen sind auch Teil des Propädeutikums. Wohin geht es?
Es gibt drei Stationen in Wittenberg, bei denen wir die Arbeit an Quellen direkt vor Ort üben wollen. Das liegt daran, dass nicht alle Quellen mitführbar sind. Das sind das Wittenberger Schloss mit seiner Schlosskirche und der Reformationsgeschichtlichen Forschungsbibliothek, das Lutherhaus mit der Dauerausstellung zu Martin Luther und natürlich die Stadt selbst.

Was erwartet die Studierenden in spe über die Quellenarbeit hinaus?
Die künftigen Kommilitoninnen und Kommilitonen werden sich sehr wahrscheinlich nicht kennen, deshalb starten wir am ersten Tag mit einem gemeinsamen Grillen. Während der fünf Tage werden sie im Tagungszentrum der Leucorea übernachten. Das ermöglicht ein sehr konzentriertes Arbeiten an einem Ort, bietet aber auch viele Möglichkeiten für den Austausch. Abgerundet wird das Programm durch Vorträge zu Themen wie Reformation und Musik oder die Biographie als historische Quelle.

Wer kann sich bewerben?
Unsere primäre Zielgruppe sind natürlich die jungen Menschen, die demnächst ein Studium an der Martin-Luther-Universität beginnen wollen, das Angebot richtet sich aber insgesamt an alle Schülerinnen und Schüler der Klassen 11 und 12, die sich für ein einschlägiges Studium interessieren. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fallen für das Kursprogramm keine Gebühren an, lediglich die Übernachtungskosten müssen übernommen werden.

Weitere Informationen

Das „kleine Propädeutikum“ findet vom 25. bis 29. Juli in Wittenberg statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohnen im Fridericianum, einem der Lehrgebäude der alten Wittenberger Universität. Eine Kursgebühr fällt nicht an. Angestrebt wird eine Gruppengröße von 20 Teilnehmern und Teilnehmerinnen, so dass auch Raum für individuelle Rückfragen ist. Eine Bewerbung ist postalisch oder elektronisch bis zum 30. Juni möglich bei Dr. Marianne Schröter, Geschäftsführerin der Stiftung LEUCOREA, Collegienstraße 62, 06886 Lutherstadt Wittenberg, Tel. 03491/466-0, marianne.schroeter@leucorea.uni-halle.de.

Kategorien

Campus

Schlagwörter

Leucorea

Kommentar schreiben