Der Stammtisch für die Promotion

30.06.2011 von Corinna Bertz in Studium und Lehre, Campus
Es muss nicht immer Englisch sein, wenn man sich über Ländergrenzen hinweg verständigen will: Ein buntes Sprachgewirr aus Serbisch, Ukrainisch, Deutsch, Chinesisch und Portugiesisch begleitet die Stammtische der internationalen Doktoranden der MLU. Das hallesche „PhD Network“ unterstützt internationale Promovierende bei sprachlichen, finanziellen und organisatorischen Hürden. Vor allem aber bietet es Raum zum Austausch und Kontakte knüpfen.
Die Teilnehmer beim gemeinsamen Picknick.
Die Teilnehmer beim gemeinsamen Picknick. (Foto: Michael Deutsch)

Fasziniert schaut Andriy Matyukha zwei Mikadospielern zu – das Spiel war ihm bis gerade eben noch unbekannt. Währenddessen wandern chinesische Leckereien über den Tisch in der Spielekneipe an den Franckeschen Stiftungen. „Mit dem PhD Network erlebt man so einige Dinge, die man noch nie zuvor gemacht hat“, sagt der 24-Jährige Betriebswirtschaftler Matyukha aus Chicago. Dabei denkt er vor allem an die erste Kanutour seines Lebens im letzten Jahr. „Die Kanufahrten auf der Saale sind immer ein Highlight, genauso wie die Weihnachtsfeier oder unser Sommerfest auf der Peißnitzinsel zum Semesterabschluss“, erzählt Netzwerkkoordinatorin Regine Brandt.

Neben den monatlichen Stammtischen in wechselnden halleschen Kneipen organisiert sie gemeinsam mit dem PhD-Network-Team Exkursionen, die zuletzt nach Wernigerode und in die Moritzburg führten. „Der nächste Ausflug geht aber in die Ferne. Viele Doktoranden haben sich eine mehrtägige Exkursion nach Wien gewünscht.“ Oft werden auf diesen gemeinsamen Reisen enge Freundschaften geschlossen, die auch außerhalb des Netzwerks bestehen. „Dieses soziale Element ist der Kern des PhD Networks“, betont Regine Brandt, die zurzeit am Institut für Geobotanik promoviert.

Der Doktorand und unbekannte Nachbar

„Die meisten der knapp 300 internationalen Doktoranden an der MLU stammen aus Asien, vor allem aus Indien und China. Die zweitgrößte Gruppe sind die Ost- und Südosteuropäer“, erzählt sie. In der täglichen Arbeit an den Instituten begegnen sich diese Gruppen selten. Barbara de Alencar Viana ist zum Beispiel die einzige internationale Doktorandin im Arbeitsbereich Gefäßmedizin am Universitätsklinikum Halle. „Aber nach dem letzten Stammtisch habe ich einen Doktoranden in meinem Haus wieder getroffen. Wir sind direkte Nachbarn!“, erzählt die Brasilianerin und lacht.

Nach dem Medizinstudium flog sie zu ihrem Verlobten nach Deutschland und promoviert nun an der MLU über den Alterungsprozess von Arterien. „Ich fühle mich wohl in Halle. Aber leider ist hier alles dreimal so teuer wie in Brasilien“, sagt die 26-Jährige. „Die Finanzierung ist für viele Doktoranden die größte Herausforderung“, bestätigt Organisatorin Brandt. Eine wichtige Aufgabe des Netzwerks ist deshalb die Vermittlung von Stipendien. Barbara de Alencar Viana erhielt eines der dreimonatigen Research-Assistantships, die der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) mit 300 Euro im Monat finanziert. 20 dieser Lehr- oder Forschungsstipendien konnten im Jahr 2010 an der MLU vergeben werden.

Deutsch im Alltag, Englisch am Institut

Camila Cotrim nimmt an einem der Deutschkurse teil.
Camila Cotrim nimmt an einem der Deutschkurse teil. (Foto: Corinna Bertz)

Noch bis 2012 wird das PhD Network durch das Stipendien- und Betreuungsprogramm für ausländische Doktoranden vom DAAD finanziert. Damit verbunden sind bestimmte Vorgaben: Neben Betreuungsleistungen und kulturellen Angeboten gehören insbesondere Deutschkurse speziell für Promovenden dazu. Denn neben den Finanzen ist die deutsche Sprache für viele die größte Hürde im Alltag. „Es ist schwer, Deutsch zu lernen, weil ich Deutsch am Institut einfach nicht brauche. Dort arbeiten wir alle auf Englisch“, erklärt Andriy Matyukha das Dilemma vieler internationaler Doktoranden.

„Ich versuche immer Deutsch zu sprechen, aber einfach ist das nicht“, sagt auch Camila Cotrim. „Am besten geht es natürlich in den Sprachkursen, weil man dort frei sprechen kann, ohne sich für seine Fehler zu genieren.“

Zweimal in der Woche paukt die 26-jährige Brasilianerin nach ihrer Arbeit in der Abteilung Physikalische Biotechnologie gemeinsam mit anderen Doktoranden und Post Docs deutsche Aussprache und Grammatik. Alle sieben Kurse in den fünf verschiedenen Sprachniveaus finden in den Abendstunden statt.

Seit seiner Gründung im Wintersemester 2008/09 am Akademischen Auslandsamt ist das Doktorandennetzwerk unter der Leitung von Dr. Manfred Pichler stetig gewachsen. Auch das Kurs- und Veranstaltungsangebot soll ausgebaut werden: „Viele Doktoranden werden bei ihrem Umzug nach Halle von ihrer Familie begleitet. Wir möchten den Partnerinnen und Partnern den Start hier erleichtern und ermöglichen ihnen deshalb die Teilnahme an unseren Deutschkursen“, sagt Regine Brandt. Der soziale Aspekt soll auch in Zukunft der zentrale Gedanke des Projekts „PhD Network“ bleiben.

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