Ausstellung zu Grete Budde: Aus der Vergessenheit geholt

18.11.2021 von Katrin Löwe in Varia
Im Historischen Sessionssaal im Löwengebäude ist seit heute eine Ausstellung mit Werken der jüdischen Bildhauerin Grete Budde (1883-1967) zu sehen. Die Künstlerin hat neben Porträts von Freunden und Verwandten auch Gelehrtenplastiken für die Universität geschaffen, unter anderen von der ersten habilitierten Frau an der Uni, Betty Heimann. Zur Vernissage am Mittwochabend konnten besondere Gäste begrüßt werden: Nachfahren Buddes aus Kanada.
Büsten der Bildhauerin Grete Budde sind in der Ausstellung im Historischen Sessionssaal zu sehen.
Büsten der Bildhauerin Grete Budde sind in der Ausstellung im Historischen Sessionssaal zu sehen. (Foto: Markus Scholz)

„Wir wollen Verborgenes sichtbar machen“, sagte Kustos Dr. Dirk Schaal zur Vernissage. Über 90 Werke der jüdischen Bildhauerin existieren nachweislich, 16 davon befinden sich im Besitz der Universität, zwölf weitere in dem des Kunstmuseums Moritzburg. Bis auf wenige Ausnahmen sei das Werk Grete Buddes in der Öffentlichkeit nicht präsent. Das ändert sich mit der ab heute geöffneten Ausstellung „Grete Budde - Werke für die Universität“ – der ersten Einzelausstellung mit Plastiken der Künstlerin. Sie ist Teil des Festjahres „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

Ehrengäste aus Kanada: Grete Buddes Urenkelin Karma Brophy und Buddes Enkelin Sabine Laubenthal mit Rektor Christian Tietje und Kustos Dirk Schaal (von links)
Ehrengäste aus Kanada: Grete Buddes Urenkelin Karma Brophy und Buddes Enkelin Sabine Laubenthal mit Rektor Christian Tietje und Kustos Dirk Schaal (von links) (Foto: Markus Scholz)

Zur Ausstellungseröffnung begrüßten Schaal und Rektor Prof. Dr. Christian Tietje auch zwei Nachfahrinnen der Künstlerin: Sabine Laubenthal und Karma Brophy, eine Enkelin und eine Urenkelin Buddes, sind eigens aus Kanada angereist. Dorthin war Buddes Tochter Marie-Sybille mit ihrem Ehemann Carl Cornelius Laubenthal 1952 ausgewandert.

Grete Budde, 1883 als Tochter eines jüdischen Hutfabrikanten geboren, widmete sich als eine der wenigen Frauen der Bildhauerei und Porträtplastik. Sie erhielt Privatunterricht, der Zugang zu Kunstakademien war Frauen damals noch verwehrt. 1913 heiratete sie den Mediziner Werner Budde und ging mit ihm nach Halle. Hier porträtierte sie Familienmitglieder, Freunde und zahlreiche Gelehrte der Uni.  

Auf der ersten großen regionalen Ausstellung zur Geschichte der halleschen Juden im Jahr 1998 habe es im Stadtmuseum bereits einen kleinen Einblick in die Familiengeschichte Buddes gegeben, sagte Cornelia Zimmermann, die als Vorsitzende des Freundeskreises Leopold Zunz-Zentrum – er organisiert unter anderem die Jüdischen Kulturtage in Halle – ein Grußwort hielt. Danach sei Budde wieder in Vergessenheit geraten.

Prof. Dr. Friedemann Stengel verwies in seiner Rede als Dekan der Theologischen Fakultät nicht nur darauf, dass in seiner Fakultät Büsten der Künstlerin stehen. In der Funktion als Leiter der Rektoratskommission zur Aufarbeitung der Universitätsgeschichte in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts erinnerte er vor allem an 39 Lehrende der Uni, die in der Zeit des Nationalsozialismus auf Grundlage der Rassengesetze entlassen wurden, überwiegend wegen jüdischer Vorfahren, aber auch wegen jüdischer Ehefrauen. Unter ihnen war auch Grete Buddes Ehemann Werner, dem 1937 die Lehrbefugnis an der Medizinischen Fakultät entzogen wurde. Stengel sprach von einem menschlichen und wissenschaftlichen Aderlass für die Universität in dieser Zeit. Die Ausstellung sei ein Denkmal für die Universität – und ein Mahnmal. „Ein Mahnmal dafür“, so Stengel, „dass es keinen einzigen aktenkundigen Protest der Professorinnen und Professorenkollegen gegen die Entlassungen gegeben hat.“ Beispielhaft zeichnet die Ausstellung auch die Lebenswege der damals ausgeschlossenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach.

Ausstellung: "Grete Budde. Werke für die Universität"
18. November 2021 bis 15. März 2022
Sessionssaal
Universitätsplatz 11 (Löwengebäude)
06108 Halle (Saale)
Aktuell geltende Öffnungszeiten unter: www.kustodie.uni-halle.de

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