Aus Abfall Werte schöpfen

26.02.2019 von Ines Godazgar in Wissenschaft, Forschung
Das Element Neodym gehört zu den so genannten Seltenen Erden. Es erhöht die Anziehungskraft von Magneten enorm. Mit dieser Eigenschaft ist es für viele Hightech-Anwendungen inzwischen unverzichtbar. Doch Neodym ist ein rares Gut und seine Gewinnung kompliziert. Deshalb suchen Geologen der MLU in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt nun nach neuen Wegen, dieses kraftvolle Element effektiv zu fördern.
Doktorand Tim Rödel mit einer der Proben, die hallesche Geologen gerade regelmäßig untersuchen
Doktorand Tim Rödel mit einer der Proben, die hallesche Geologen gerade regelmäßig untersuchen (Foto: Michael Deutsch)

Wer sich von der Stärke eines Neodym-Magneten überzeugen will, dem seien einschlägige Videos im Internet empfohlen: Dort demonstrieren Hobby-Forscher, wie man Eisenpartikel aus Cornflakes zieht oder Cola-Dosen - platziert zwischen zwei Magneten - zum Bersten bringt. „Die Kräfte, die dabei wirken, sind enorm“, sagt Prof. Dr. Gregor Borg. Der Geologe muss es wissen, denn er beschäftigt sich wissenschaftlich mit den so genannten Seltenen Erden, zu denen auch Elemente wie Neodym, Lanthan oder Cer gehören.

Seltene Erden, dieser Begriff ist eigentlich irreführend, denn dahinter verbirgt sich keine Erde, sondern vielmehr eine Stoffgruppe mit sehr ungewöhnlichen chemischen Eigenschaften, die in hochinnovativen Techniken Anwendung findet. Gregor Borg, Experte für Petrologie und Lagerstättenforschung, und seine Arbeitsgruppe arbeiten unter dem Titel „CaMona“ gemeinsam mit Partnern in Deutschland und Brasilien an einem vom BMBF geförderten Projekt zur wirtschaftlichen Gewinnung dieser Seltenen Erden. Darin soll geklärt werden, ob sich auch das Element Neodym, das in natürlicher Form unter anderem im Mineral Monazit vorkommt, in einer Lagerstätte der brasilianischen Region Catalão effektiv fördern lässt. 280.000 Euro stehen dafür im Projektteil der MLU zur Verfügung.

„Das Projekt ist sehr anwendungsorientiert“, sagt Borg. Seine Arbeitsgruppe flankiert dabei mit ihrer Forschung die praktischen Bemühungen der in Leipzig ansässigen Firma „Ceritech“. Das Unternehmen sucht bereits seit geraumer Zeit nach Seltenen-Erden-reichen Gesteinen. 2013 war man zunächst im Raum Delitzsch fündig geworden. „Doch die dortige Lagerstätte liegt sehr tief, was derzeit eine wirtschaftliche Förderung verhindert“, erklärt Borg, der auch bei diesem Projekt wissenschaftliche Schützenhilfe gegeben hatte.

Nun also Catalão in Brasilien. Ein Ort, der zwar fast 10.000 Kilometer von Deutschland entfernt liegt, dessen Randbedingungen dennoch attraktiv scheinen. Dort nämlich hat man einen ganz anderen, sehr innovativen Ansatz gewählt: In einem Tagebau fallen große Mengen Monazit beim Abbau eines anderen Stoffes an. Genauer: Bei der Förderung von Apatit aus einem Alkalikomplex, der zur Herstellung von Phosphorsäure in der Düngemittelproduktion genutzt wird. Dabei entsteht ein Monazit-haltiger Gips, der in der Landwirtschaft genutzt wird, wobei derzeit der Monazit verloren geht. „Wir wollen im Rahmen des Projekts klären, ob man diesen Monazit von den Gipsen trennen und nutzbar machen kann“, erklärt Borg. Sollte das gelingen, könnten enorme Kosten gespart werden, denn so würde es künftig überflüssig, den Monazit mittels Bergbau extra aus dem Boden zu holen.

Gregor Borg (li.) und Doktorand Andreas Kamradt am Rasterelektronenmikroskop
Gregor Borg (li.) und Doktorand Andreas Kamradt am Rasterelektronenmikroskop (Foto: Michael Deutsch)

Um Aufschluss über die Machbarkeit zu erhalten, untersuchen die halleschen Geologen nun regelmäßig Proben aus Brasilien im Labor. Das unscheinbare feine Pulver, das dazu eigens aus dem Tagebau in Catalão nach Halle kommt, wird unter einem hochsensiblen Rasterelektronenmikroskop untersucht. In der Vergrößerung lässt sich gut erkennen, ob darin Monazit enthalten ist, wie es sich verteilt und in welchen Mengen es vorkommt. Klar ist auch: Das begehrte Gestein ist ein Naturprodukt. Das zieht eine inhomogene Struktur nach sich. Soll heißen: Es hat nicht an jeder Stelle die gleiche Zusammensetzung. Deshalb brauchen die Wissenschaftler vor allem Geduld. Je öfter man dieses Prozedere wiederholt, je mehr Proben also an verschiedenen Punkten der Lagerstätte entnommen und untersucht werden, umso konkreter lassen sich Aussagen zur Konzentration und Verteilung des Monazits treffen. Außerdem kann abgeschätzt werden, welche Nebenprodukte in dem monazithaltigen Gips enthalten sind. Daraus wiederum lässt sich ableiten, ob diese Stoffe den späteren Abbauprozess in irgendeiner Form beeinflussen würden.

Der Aufwand ist enorm, aber er lohnt sich. Denn mit den an der MLU erstellten Mineral-Verteilungsanalysen erhält die Firma „Ceritech“ eine fundierte Prognose darüber, ob es effektiv wäre, die Reststoffe aus dem in Catalão befindlichen Abbauprozess zur Gewinnung von Monazit zu nutzen. Wissen, das für das vergleichsweise kleine Unternehmen große Bedeutung hat, denn als klassischer Mittelständler unterhält Ceritech keine eigene Forschungsabteilung. Aus dem monazithaltigen Gips könnten in einem späteren Schritt Seltene Erden wie auch das begehrte Neodym gewonnen werden. „Der Bedarf an Seltenen Erden steigt stetig“, erklärt Gregor Borg. Denn Neodym-Magnete werden auch zum Antrieb von Elektro- und Hybridfahrzeugen, für den Bau hochwertiger Lautsprecher und Kopfhörer sowie für Festplatten und Kernspintomografen genutzt.

Den Gedanken, dass im vorliegenden Beispiel quasi aus dem Abfall eines technologischen Prozesses etwas Nützliches gewonnen wird, findet Gregor Borg besonders reizvoll. „Denn“, so meint er, „ein besseres Beispiel für Nachhaltigkeit gibt es nicht.“

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