Archäologie: Jahrtausende alte Patchwork-Keramik aus der Türkei

11.01.2018 von Tom Leonhardt in Wissenschaft, Forschung
Manchmal müssen Archäologen gar keine neuen Ausgrabungen leiten, um Erkenntnisse über eine mehrere Jahrtausende alte Kultur zu erlangen. Manchmal reicht es, wenn sie die Fundstücke früherer Grabungen auswerten, die über viele Jahrzehnte in Archiven schlummerten. So war es auch bei PD. Dr. Jörg Becker vom Seminar für Orientalische Archäologie und Kunstgeschichte, der mit seiner neuesten Arbeit wertvolle Erkenntnisse über die Halaf-Kultur aus der Südost-Türkei liefert.
So könnte es am Çavi Tarlası einmal ausgesehen haben – 3D-Rekonstruktion des Speichergebäudes
So könnte es am Çavi Tarlası einmal ausgesehen haben – 3D-Rekonstruktion des Speichergebäudes (Foto: Julia Wollenweber)

27.000 Fundstücke hat Jörg Becker in den letzten Jahren erforscht, typisiert und klassifiziert. Sie stammen allesamt von einer Grabung im Gebiet des mittleren Euphrats, die bereits in den 1980er Jahren durchgeführt wurde: „Die Fragmente wurden bei einer Rettungsgrabung in der Südost-Türkei gefunden, die damals von der Universität München und dem deutschen Archäologischen Institut in Istanbul geleitet wurde“, berichtet der Archäologe Becker. Anfang der 1990er Jahre wurden die meisten Grabungsstätten in dieser Region überflutet: Große Stauseen wurden an der Grenze der Türkei zu Syrien angelegt, um mit Hilfe von Turbinen Strom zu gewinnen und trockene Ebenen zu bewässern. Heute sind die meisten Grabungsstellen geflutet und nicht mehr zu erreichen.

Damals war es Dr. Alwo von Wickede, der die Grabung am Çavi Tarlası leitete. Viele internationale Forschungsinstitutionen und Museen waren an den Rettungsgrabungen im Bereich des späteren Atatürk-Stausees im Südosten der Türkei beteiligt. Am Çavi Tarlası selbst kamen Siedlungsreste und Tausende von Tonscherben, Stempelsiegel und Terrakotten sowie andere Gerätschaften des täglichen Lebens zutage, die der spätneolitihischen Halaf-Kultur angehören. „Diese Kultur entstand im frühen 6. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. Çavi Tarlası war durchgehend für rund 400 Jahre während dieser Zeit besiedelt“, so Becker. Das macht den Ort für die archäologische Forschung besonders interessant, da er ein relativ authentisches Bild von damals liefert, weitgehend ungestört von späteren Siedlungsaktivitäten.

Die bäuerlich-dörfliche Halaf-Kultur gilt es als erster weitgespannter Keramik-Horizont des Alten Orients, die den gesamten nördlichen „Fruchtbaren Halbmond“ umfasst und vom irakisch-iranischen Zagrosgebirge bis fast an die Mittelmeerküste reichte. Die Menschen fertigten Feinkeramiken, Geschirr oder Töpfe an, welche sie auch kunstvoll bemalten. Nicht nur geometrische Formen, auch Stier- oder Widderköpfe, Schlangen und Raubtiere zieren die Artefakte, die Becker erforscht hat. „Frauen werden immer wieder sehr figurbetont dargestellt. Damit ist wahrscheinlich der Wunsch nach Fruchtbarkeit und einer glücklichen Geburt verbunden“, so Becker weiter.

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