Pflanzenschutz: Vielfalt macht den Erfolg

16.09.2016 von Tom Leonhardt in Forschung, Wissenschaft
Über 1.200 Teilnehmer und rund 600 Beiträge – das Programm der 60. Deutschen Pflanzenschutztagung kann sich sehen lassen. Die größte Fachveranstaltung der Pflanzenmedizin und des Pflanzenschutzes wird alle zwei Jahre in einem anderen Bundesland durchgeführt. Nach 18 Jahren kommt sie wieder nach Halle. Vom 20. bis 23. September findet die Tagung am Uniplatz statt. Im Interview gibt der hallesche Pilzgenetiker Prof. Dr. Holger Deising einen Überblick über das Programm.  
Messung der Leitfähigkeit bei Weizen: Je höher die Leitfähigkeit, desto besser funktioniert die Photosynthese.
Messung der Leitfähigkeit bei Weizen: Je höher die Leitfähigkeit, desto besser funktioniert die Photosynthese. (Foto: Siegfried Schittenhelm/JKI)

Gibt es ein Wundermittel für den Pflanzenschutz?

Holger Deising: Nein, das wird es auch nicht geben. Wenn Sie zum Beispiel Fungizide einsetzen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis resistente Schädlinge entstehen. Aus diesem Grund ist das Zauberwort im Pflanzenschutz die Vielfalt der Pflanzenschutzmaßnahmen. Ökobetriebe haben es hier nicht leicht, weil ihnen die effizienten chemischen Mittel fehlen.

Prof. Dr. Holger Deising
Prof. Dr. Holger Deising (Foto: Maike Glöckner)

Das Thema der diesjährigen Tagung lautet „Effizienz und Vielfalt“. Effizienz ist klar, aber was versteht man hier unter Vielfalt?

Vielfalt bezieht sich zum einen auf die Artenvielfalt und deren Aufrechterhaltung im Agrar-Ökosystem. Zum anderen ist natürlich auch die Vielfalt des Pflanzenschutzes selbst gemeint, dessen Vielfalt während der Tagung gezeigt wird. Wir haben dabei den Integrierten Pflanzenschutz, der natürlich auch chemische Mittel einsetzt, wie auch den ökologischen Landbau, der in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

Warum ist das so?

Bei biologischen Mitteln hat jeder das Gefühl, dass sie gesund und darum gut sind. Aber: Die stärksten Gifte kommen aus der Natur – bei biologischen Mitteln kennen wir die Risiken nicht wirklich. Das ist bei chemischen Pflanzenschutzmitteln anders: Bei der Entwicklung eines neuen Pflanzenschutzmittels werden fast 70 Millionen Euro nur für Toxizitätstests ausgegeben. Hierbei werden sowohl die akute und die chronische Toxizität gegenüber Säugetieren als auch ökotoxikologische Aspekte untersucht. Am Ende bleibt bei der Entwicklung eines Pflanzenschutzmittels von circa 150.000 getesteten nur eines übrig, das auf den Markt kommt. Daran können Sie sehen, wie streng die Auflagen für chemische Mittel sind.

Ein weiteres Hauptthema der Tagung ist der integrierte Pflanzenschutz – was ist das?

Es ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben, dass chemische Mittel nur dann eingesetzt werden dürfen, wenn der zu erwartende Schaden durch Schädlinge ein bestimmtes Maß überschreitet. Sie dürfen nur dann zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Möglichkeiten des Pflanzenschutzes – zum Beispiel die Durchführung der guten ackerbaulichen Praxis, Einsatz biologischer Verfahren, Auswahl resistenter Sorten – nicht ausreichen, um unsere Pflanzen zu schützen. Landwirte dürfen chemische Pflanzenschutzmittel nicht einfach prophylaktisch spritzen.

Welche Entwicklungen gab es in den letzten Jahren im Bereich des Pflanzenschutzes?

Ich sehe eine große Entwicklung bei den rechtlichen Rahmenbedingungen für den Pflanzenschutz. Europaweit wird eine Harmonisierung auf diesem Bereich angestrebt. Aber eigentlich gibt es überall Fortschritte: im Bereich der Molekularbiologie, der Biotechnologie und auch bei der genetischen Veränderung von Pflanzen, entweder durch die klassische Züchtung oder durch gentechnische Verfahren. Gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen in Deutschland zwar nicht freigesetzt werden, haben aber ein enorm großes Potential. Und natürlich hat sich auch viel im Bereich des biologischen Pflanzenschutzes getan.

Invasive Arten bedrohen die Pflanzen - hier sind die Larven von Kirchessigfliegen zu sehen.
Invasive Arten bedrohen die Pflanzen - hier sind die Larven von Kirchessigfliegen zu sehen. (Foto: Jürgen Just/JKI)

Die Themenbereiche spiegeln auch die Vielfalt der Einrichtungen wider, die an der Durchführung der Pflanzenschutztagung beteiligt sind: Neben dem Julius Kühn-Institut organisieren Universitäten, der Industrieverband Agrar, der Pflanzenschutzdienst der Länder und die Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft, deren Vorsitzender ich bin, die Tagung gemeinsam.

Als die Pflanzenschutztagung 1998 das letzte Mal in Halle stattfand, waren sie gerade frisch als Professor berufen worden und gleich mit der Organisation der Tagung beauftragt. Was hat sich seitdem verändert?

Land und Universität haben seitdem Rahmenbedingungen geschaffen, die eine so große Tagung sehr viel angenehmer machen. Die Raumsituation vor Ort ist durch das Audimax erheblich verbessert worden. Damals mussten die Teilnehmer zwischen Hörsälen im Löwengebäude am Universitätsplatz und dem ehemaligen Tschernyschewski-Haus der Universität am Jägerberg hin- und herwechseln. Das war innerhalb weniger Minuten ganz unmöglich. Mit dem Bau des Audimax ist erreicht worden, dass sich auch so große Tagungen wie die Pflanzenschutztagung mit etwa 1.200 Teilnehmern ideal in Halle ausrichten lassen.

Wie steht der Pflanzenschutz in Deutschland im internationalen Vergleich da?

Deutschland fügt sich in die europäischen Rahmenbedingungen ein. Der chemische Pflanzenschutz wird hierzulande mit sehr viel Augenmaß betrieben. Ich fühle mich als Verbraucher völlig sicher. Wenn ich im Supermarkt Lebensmittel kaufe, habe ich dabei kein ungutes Gefühl. Deutschland steht sehr gut da, auch im internationalen Vergleich.

Das gesamte Programm und weitere Informationen zur 60. Deutschen Pflanzenschutztagung unter: www.pflanzenschutztagung.de

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