Mehr als Omas Hühnersuppe

17.08.2012 von Maria Preußmann in Personalia
Eigentlich wollte Barbara Langhans Kunst studieren, doch dann wählte sie an der Martin-Luther-Universität das Fach aus, das am wenigsten mit Kunst zu tun hatte. Heute ist sie leidenschaftliche Apothekerin, ihr Geschäft am Steintor ist ein stilvoll gestalteter Ort. Acht von zehn Pharmaziestudenten arbeiten nach ihrem Abschluss in einer Apotheke. Sie beraten Kunden und leiten oft ein kleines Team. Bereitet sie ihr Studium auf diese Arbeit vor?
Barbara Langhans in ihrer Apotheke am Steintor.
Barbara Langhans in ihrer Apotheke am Steintor. (Foto: Cordula Langhans)

„Mädchen, geh nicht in die brotlose Kunst“, hatte ihr Vater gesagt. Sie bedachte seine Worte und entschied sich für die Pharmazie. „In den ersten zwei Jahren bestand das Pharmaziestudium hauptsächlich aus Chemie. Der Praxisbezug fehlte. Ich habe viel geflucht.“ Formeln und Laborarbeit statt lebendiger Farbe. Für Kreativität blieb keine Zeit. Barbara Langhans konnte sich erst im Hauptstudium mit ihrer Studienwahl anfreunden. Noch heute sind die Anforderungen im Studiengang Pharmazie sehr hoch: Nach dem zweijährigen Grundstudium ist die Famulatur abzuleisten, die einem Betriebspraktikum ähnelt. Danach folgen zwei Jahre Hauptstudium und ein praktisches Jahr. Dann kann die Approbation beantragt werden, die den Pharmazeuten dazu berechtigt, als Apotheker zu arbeiten.

Barbara Langhans läuft schnell und zielgerichtet. Um ihre flinken Beine schwingt eine luftige braune Leinenhose. Den weißen Kittel hat sie in ihrer Apotheke gelassen, nicht aber ihre wachsamen Augen. Aus ihnen spricht Begeisterung für den Beruf. Aber in dem Café am Steintor, in dem sie gerade sitzt, kneift sie die Augen in manchen Momenten zusammen. Dann, wenn sie von der liberalisierten Gesundheitspolitik spricht und davon, dass der Heilberuf des Apothekers der Ökonomie geopfert werde. Aber nie, wenn es um ihre Apotheke geht und die Kraft und Liebe, die sie in deren Qualität steckt.

Die Wände der Steintor-Apotheke sind in einem kräftigen Blau gestrichen, auf der Theke stehen frische Blumen und über den Regalen hängen liebevoll gestaltete Schilder: „Wenn die Haut mich ärgert“ oder „Mit 66 fängt das Leben an“. „Nullachtfünfzehn“ soll ihre Apotheke nicht aussehen. Man sieht, hier ist ein kreativer Mensch am Werk. Und einer, der Kranke berät und jungen Menschen Ersatz für Omas Hühnersuppe bietet. Eine Angelegenheit, die sich die Diplompharmazeutin und Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie zur Lebensaufgabe gemacht hat.

In diesem Jahr feiert ihr Betrieb bereits das 20-jährige Jubiläum. Nach fast 30 Jahren Berufserfahrung scheint Langhans angekommen zu sein. Sachte tunkt sie einen Teebeutel in heißes Wasser. Ruhig erzählt sie, dass zwei Drittel ihrer Kunden weggebrochen sind, als die Medizinische Fakultät vor neun Jahren aus der Magdeburger Straße in die Ernst-Grube-Straße gezogen ist. Kein Grund den weißen Kittel hinzuwerfen. Stattdessen begann Langhans nach und nach drei Filialapotheken aufzubauen – in Halle, Landsberg und Delitzsch.

Beraten will gelernt sein

Eine Apotheke zu eröffnen ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern wirtschaftliches Risiko. Doch das spornte die Mutter von zwei Töchtern an. „Es muss nur gut organisiert sein, dann gibt es keinen Stress.“ In ihrer Organisation sind eine 70-Stundenwoche, unregelmäßige Mittagspausen und der Verzicht auf Urlaub eingeplant. Von ihren Mitarbeitern verlangt sie das allerdings nicht. „Im Team wird jeder in seiner Andersartigkeit anerkannt. In einer entspannten Arbeitsatmosphäre kann man erfolgreicher arbeiten.“

Ein Team zusammenhalten, vertrauensvoll Kunden beraten und mit Arzneimitteln zu versorgen, Rezepturen anfertigen, wirtschaften und Führungsstärke beweisen – das alles gehört zu den Aufgaben von Langhans. „Die Arbeit in der öffentlichen Apotheke hat sich gewandelt“, sagt die Alumna der MLU, die 1981 ihr Diplom erhielt. Heute stehe weniger die Herstellung von Rezepturen im Vordergrund, sondern die Beratung der Patienten.

Im Hauptstudium erlernen angehende Pharmazeuten spezielles Fachwissen. Wie und warum wirkt ein Arzneimittel im Körper? Welche Nebenwirkungen können auftreten? Außerdem lernen sie Herstellungstechniken und Optimierungsverfahren von Medikamenten. Allerdings arbeiten circa 80 Prozent der Pharmazieabsolventen später in den Apotheken. „Ich finde es deshalb ärgerlich, dass die Priorität der Ausbildung auf der Forschung und nicht näher an der Praxis liegt. Beratungskompetenz erlangen die Studierenden erst im praktischen Jahr unter Anleitung des Apothekers.“

Langhans hat für ihre Apotheke eigene Qualitätsstandards entwickelt, nach denen ihr Team arbeitet. „Mit unserer Fragetechnik versuchen wir zuerst das Problem des Patienten zu erfassen, bevor wir ein Medikament ausgeben.“ Ihre aufmerksamen Augen haben durch dieses Prinzip nicht nur falsch ausgestellte Rezepte, sondern auch zwei Schlaganfallpatienten entdeckt.

Da neue Forschungsergebnisse in Medizin und Pharmazie für stetige Änderungen sorgen, sind Fortbildungen für Apotheker obligatorisch. Vor allem müssen Soft-Skills geübt werden, zum Beispiel die Beratungskompetenz für spezielle Erkrankungen. „Die Mitarbeiter werden auf circa zwei Weiterbildungen pro Monat geschickt. So werden ihre Talente gefördert und neues Wissen erlernt.“ Barbara Langhans setzt sich außerdem ehrenamtlich im Vorstand der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt ein.

„Das Schönste ist letztendlich das soziale Feedback, das ich als Apothekerin bekomme. Wenn sich ein Patient für die Empfehlung eines Medikaments bei mir bedankt, fühle ich mich in meiner Arbeit anerkannt.“ Ihre Energie ist nicht zu erschöpfen. Sie widmet sich der Pharmazie, obwohl sie nach dem Schulabschluss genau das Gegenteil wollte. Wenn sie zur Ruhe kommt, gestaltet sie Linolschnitte und Collagen, einmal in der Woche singt sie im Konservatorium. Am liebsten alte Filmmusik oder Jazz. So hat es Langhans geschafft, auch die „brotlose Kunst“ zu einem Bestandteil ihres Lebens und ihrer Arbeit werden zu lassen.

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