Kant zu Ehren: Eine Silberbohne im Dessert

20.04.2016 von Maria-Luise Kunze in Varia
Immanuel Kant und eine Silberbohne stehen am kommenden Samstag im Fokus eines außergewöhnlichen Abendessens: Die Gesellschaft der Freunde Kants lädt zum sogenannten Bohnenmahl, um des einflussreichsten Philosophen der Aufklärung zu gedenken und einen neuen Bohnenkönig zu küren. Am 23. April findet die traditionsreiche Veranstaltung erstmals in Halle statt.
Jürgen Stolzenberg mit der Silberbohne.
Jürgen Stolzenberg mit der Silberbohne. (Foto: Maria-Luise Kunze)

Gespannt werden die Gäste, die Prof. Dr. Jürgen Stolzenberg zum Bohnenmahl in den Händel-Salon des Dorint Hotels eingeladen hat, am kommenden Samstag ihre Crème Brûlée zu sich nehmen. Das Dessert ist mehr als eine köstliche Spezialität aus Frankreich: In einem der Nachtische wird eine etwa ein Zentimeter große Bohne aus reinem Silber versteckt sein. Derjenige, der sie findet, wird zum Bohnenkönig gekürt. Die Bohne wurde nach altem Muster von einer Mainzer Silberschmiedin angefertigt. Denn zweimal ging das wertvolle Stück bereits durch Verschlucken verloren und musste ersetzt werden.

Das historische Vorbild des Bohnenmahls: Der Maler Emil Doerstling hat Kants illustre Tischrunde 1892 in einem Holzstich dargestellt. (Bild: wikicommons)
Das historische Vorbild des Bohnenmahls: Der Maler Emil Doerstling hat Kants illustre Tischrunde 1892 in einem Holzstich dargestellt. (Bild: wikicommons)

„Das Bohnenmahl der Gesellschaft der Freunde Kants hat eine lange Tradition“, sagt der emeritierte Professor für die Geschichte der Philosophie Stolzenberg. Seit zwei Jahren ist er Kanzler der Gesellschaft. „Ein Jahr nach Kants Tod, 1805, hat der Schotte William Motherby, Kants langjährige Weggefährten zu einem Erinnerungsfest eingeladen.“ Zwanzig Freunde Kants kamen daraufhin am 22. April, dem 81. Geburtstag des Philosophen, erstmals in dessen einstigem Wohnhaus zusammen.

Neun Jahre später gründeten die Freunde des Verstorbenen eine Bohnengesellschaft. Das Bohnenmahl geht auf einen alten Brauch zurück, der am Dreikönigstag mancherorts noch heute begangen wird. Derjenige, der eine Bohne im Dessert findet, wird für einen Tag zum Bohnenkönig gekürt. Die Gesellschaft der Freunde Kants greift diesen Brauch auf: „Wer die silberne Bohne im Dessert findet, verpflichtet sich, für das nächste Jahr einen Vortrag vorzubereiten, der sich mit Kant beschäftigt“, erklärt Stolzenberg.

Mit den Treffen wolle man an Kants „Tafelrunden“ in Königsberg erinnern. Nicht nur Gelehrte kehrten bei dem Philosophen ein, sondern auch Politiker, Kaufleute und Diplomaten der Stadt. Dass das Bohnenmahl jetzt in Halle stattfindet, ist vor allem der Wahl Stolzenbergs zum Kanzler der Gesellschaft zu verdanken. Bis vor einem Jahr traf sich die Vereinigung in Mainz. In diesem Jahr wird der Kant-Forscher Prof. Dr. Marcus Willascheck von der Goethe-Universität Frankfurt die Bohnenrede halten.

In Halle hat die Kant-Forschung eine lange Tradition: Freunde Kants studierten und lehrten an der Universität. Sie war zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben Marburg ein Zentrum des Neukantianismus. Hier wurden die Kant-Gesellschaft und die „Kant-Studien“ gegründet. Nicht nur durch das Bohnenmahl wird diese reiche Tradition wiederbelebt: Bereits 2015 gründete Prof. Dr. Heiner Klemme, Stolzenbergs Nachfolger am Seminar für Philosophie, das Internationale Kant-Forum, das Forscher aus aller Welt nach Halle einlädt. So nehmen mit Prof. Dr. Jens Timmermann und Prof. Dr. Kate Moran auch internationale Kant-Spezialisten aus Großbritannien und den USA  am Bohnenmahl 2016 teil.

Nicht nur die Kür des Bohnenkönigs macht das Treffen zu etwas Besonderem: An diesem Abend wird auch ein wertvoller Schatz des Universitätsarchivs, die Original-Ausgabe von Kants „Kritik der praktischen Vernunft“ ausliegen. Darin sind Kants eigenhändige Eintragungen und ein langer Kommentar zu seiner Ethik im Verhältnis zur Religion zu finden. Das Wichtigste aber ist die Fortsetzung der damaligen Treffen der Freunde Kants: „Wir halten uns an die Tradition: Man trifft sich, tauscht sich aus, hört die Bohnenrede, und schreitet dann zum Mahl“, so Stolzenberg.

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