Huckepack: Junge Mütter verbinden Baby mit Büro

05.07.2017 von Corinna Bertz in Varia, Campus
So viel Zeit wie möglich mit dem Baby verbringen, aber trotzdem weiterstudieren oder promovieren? – Das wollten sechs Studentinnen der Uni Halle nach der Geburt ihrer Kinder. Gemeinsam haben die jungen Mütter ein Eltern-Kind-Büro nach ihren Vorstellungen organisiert und Huckepack gegründet. Hier können Eltern am Laptop arbeiten und lernen, während ihre Kinder nebenan beaufsichtigt werden. Seit acht Monaten läuft die Initiative, die jetzt neue Mitstreiter sucht.
Mitmachen kann bei Huckepack jeder mit Kindern im Alter von zwei Monaten und zwei Jahren.
Mitmachen kann bei Huckepack jeder mit Kindern im Alter von zwei Monaten und zwei Jahren. (Foto: Jan Wagener)

„Ohne Huckepack wäre ich ganz schön aufgeschmissen“, sagt Beate Gienke. Und Johanna Weiß ergänzt: „Ich glaube nicht, dass ich ohne Huckepack jetzt schon fertig studiert hätte.“ Die angehende Lehrerin hatte sich in den Räumen der Initiative am Glauchaer Platz in Halle auf ihre Prüfungen zum Staatsexamen vorbereitet, während ihre heute anderthalbjährige Tochter unter der Aufsicht von ehrenamtlichen Betreuern nebenan spielte. Nur eine Tür trennt den Arbeitsraum von einem hellen Spielzimmer mit Blick in den grünen Hof.

Arbeits- und Spielzimmer sind nur durch eine Tür getrennt.
Arbeits- und Spielzimmer sind nur durch eine Tür getrennt. (Foto: Jan Wagener)

Wenn ein Kind nach seinen Eltern verlangt, dann ist der Weg nicht weit. Denn auf diese Nähe legen die sechs Huckepack-Gründerinnen Johanna Weiß, Marianne Günthel, Beate Gienke, Louise Schellenberg, Julia Skrotzki und Susanne Dölle großen Wert: „Wir finden es alle wichtig, die Kinder nach ihren Bedürfnissen zu erziehen und vor allem im ersten Jahr so viel Zeit wie möglich mit dem Baby zu verbringen“, sagt die zweifache Mutter Marianne Günthel. Gleichzeitig wollte keiner von ihnen nach der Geburt vollständig aus dem Studium oder der Arbeit an der Promotion aussteigen. Ihr Wunsch: Studieren und arbeiten gemeinsam mit dem Kind.

Fünf Räume zum Arbeiten, Spielen, Stillen und Kochen

Die optimale Lösung haben sich die jungen Eltern im Oktober 2016 schließlich selbst organisiert, in einem geräumigen Altbau, der zum Gelände der Evangeliumsgemeinde Halle gehört. Zuvor hatten sie sich ein ähnliches Projekt in Leipzig angeschaut und sich über den rechtlichen Rahmen informiert. Schnell und unbürokratisch ließ sich dann mit der Gemeinde, die einige Huckepack-Gründerinnen zu ihren Mitgliedern zählt, die Anmietung von fünf Räumen vereinbaren.

Bis zu drei Kinder hat eine Betreuerin jeweils im Blick.
Bis zu drei Kinder hat eine Betreuerin jeweils im Blick. (Foto: Jan Wagener)

Elisabeth, Emil, Erik, Franz, Jonathan, Nathan, Ragna und Ruth heißen einige der „Huckepack-Kinder“, die inzwischen das Spielzimmer und den Sandkasten vor der Kirche erobert haben. Von Montag bis Donnerstag können die Mitglieder des Eltern-Kind-Büros in der Zeit von 9 bis 14 Uhr die Räumlichkeiten nutzen. Mitmachen kann jeder mit Kindern im Alter von zwei Monaten und zwei Jahren. Die Gründerinnen sind zwar alle Studierende oder Doktoranden an der Uni Halle – „Aber das ist kein Aufnahmekriterium“, betont Marianne Günthel.

Mittlerweile sind auch Eltern Mitglied, die regelmäßig ihren Büro-Arbeitsplatz gegen einen Platz am Huckepack-Tisch eintauschen. Meist sitzen drei bis fünf Mütter und Väter an dem großen Arbeitstisch. „Hier ist es möglich sich jederzeit mit dem Kind zurückzuziehen und zu stillen, aber trotzdem auch mal Phasen zu nutzen, in denen man konzentriert arbeiten kann, ohne selbst das Kind im Auge behalten zu müssen“, sagt Günthel. Das sei den Zeit- und Organisationsaufwand wert, sind sich die Huckepack-Initiatorinnen einig. „Genau so hatte ich mir das erste Jahr mit Kind vorgestellt“, so Johanna Weiß.

„Je mehr wir sind, desto günstiger wird Huckepack“

Bis zu drei Kinder werden jeweils von einer freiwilligen Helferin betreut. Die Aufsichtspflicht verbleibt jedoch stets bei den Eltern. „Man kann sein Kind also nicht abgeben und gehen“, stellt Marianne Günthel klar. Wenn die Kinder unruhig werden und nach den Eltern verlangen, geben die Betreuer sofort Bescheid. „Wir hatten auch schon Tage, an denen alle Kinder nach der Aufmerksamkeit ihrer Eltern verlangt haben und wir die Zeit dann gemeinsam draußen verbracht haben“, erzählt Günthel.

Zum gemeinsamen Mittagessen treffen sich alle Eltern, Kinder und Betreuer am großen Arbeitstisch wieder. Jeden Tag kocht ein anderes Mitglied für alle. „Aber bei Huckepack ist man nie allein auf weiter Flur. Im Gegenteil: Ich finde den Austausch mit den anderen Eltern wirklich wertvoll“, betont Beate Gienke. Auch den Kindern bekomme die Gesellschaft gut. „Sie haben sich aneinander gewöhnt und spielen zusammen. Ich denke, dadurch wird ihnen auch die Eingewöhnung im Kindergarten leichter fallen“, sagt Marianne Günthel.

Im August werden sich drei der Huckepack-Kinder in den Kindergarten verabschieden. Ihre Nachfolger werden derzeit noch gesucht, sagt Günthel: „Für uns ist es wichtig, regelmäßig neue Mitglieder zu gewinnen. Je mehr wir sind, desto günstiger könnte die Teilnahme für alle werden.“ Der Mitgliedsbeitrag beträgt zurzeit 13 Euro am Tag. Davon werden die Mietkosten und anderen notwendige Ausgaben beglichen. Wie oft jemand das Eltern-Kind-Büro nutzt, kann er frei entscheiden. „Für manche ist es eine gute Lösung zur Überbrückung bis ein Kinderkrippenplatz gefunden ist, für andere ist es das Optimum“, sagt Beate Gienke.

Informationen zum Angebot

Wer Interesse hat, für einen oder mehrere Monate regelmäßig einen der Arbeitsplätze zu nutzen, kann per E-Mail an huckepackhalle@gmail.com einen Termin für einen kostenlosen Schnuppertag vereinbaren, bei dem sich alle Beteiligten kennenlernen können.

Weitere Informationen unter: https://huckepackhalle.wordpress.com

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