Halles Physiker auf Erfolgskurs

26.04.2018 von Tom Leonhardt in Im Fokus, Forschung
Erfolgreicher Wissenstransfer funktioniert nur mit sehr guter Grundlagenforschung. Die betreiben an der Universität unter anderen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Physik: Dort sind nicht nur drei Sonderforschungsbereiche (SFB) der Deutschen Forschungsgemeinschaft und eine Alexander von Humboldt-Professur angesiedelt. Die Forscherinnen und Forscher sind auch international bestens vernetzt und machen regelmäßig mit Publikationen in renommierten Fachjournalen auf sich aufmerksam.
Thomas Thurn-Albrecht, Ingrid Mertig und Georg Woltersdorf (v.l.) leiten am Institut für Physik drei ­Sonderforschungsbereiche.
Thomas Thurn-Albrecht, Ingrid Mertig und Georg Woltersdorf (v.l.) leiten am Institut für Physik drei ­Sonderforschungsbereiche. (Foto: Michael Deutsch)

Gut gelaunt sitzen Prof. Dr. Ingrid Mertig, Prof. Dr. Thomas Thurn-Albrecht und Prof. Dr. Georg Woltersdorf in einem Büro im Institut für Physik. Die drei haben sich viel zu erzählen. Über gemeinsame Projekte, anstehende und zurückliegende Dienstreisen sowie vielversprechende Studierende in ihren Vorlesungen. Der regelmäßige Austausch ist bei den Physikern Alltag. „Das Markenzeichen unseres Instituts ist, dass wir viel und vor allem gut zusammenarbeiten“, fasst Ingrid Mertig zusammen. Ihre beiden Kollegen nicken zustimmend.

Die drei Wissenschaftler eint, dass sie alle Sprecher oder stellvertretende Sprecher je eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs sind: Mertig leitet den seit 2008 bestehenden SFB 762 „Funktionalität oxidischer Grenzflächen“. Thomas Thurn-Albrecht ist Sprecher des gemeinsam mit der Universität Leipzig 2011 etablierten Transregio-SFB 102 „Polymere unter Zwangsbedingungen“. Georg Woltersdorf gelang es im vergangenen Jahr, gemeinsam mit der Freien Universität Berlin den neuen Transregio-SFB 227 „Ultraschnelle Spin­dynamik“ einzuwerben.

Alle drei Initiativen sind eingebettet in den naturwissenschaftlichen Forschungsschwerpunkt „Materialwissenschaften – Nanostrukturierte Materialien“ an der Universität, der sich mit der Entwicklung neuartiger Materialien und innovativer Messmethoden befasst.  Hier ist auch das Zentrum für Innovationskompetenz „SiLi-nano“ angesiedelt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird.

Stark im Verbund

Dass das Physik-Institut heute so erfolgreich aufgestellt ist, hat eine längere Vorgeschichte: „Seit vielen Jahren gehören oxidische Grenzflächen, die Polymerphysik und die Photovoltaik zu den Forschungsschwerpunkten unseres Hauses“, sagt Mertig und verweist auch auf die forschungsstarken außeruniversitären Partner vor Ort: das Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik (MPI), das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS und das Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik. „Ohne die Kooperation mit unseren außeruniversitären Partnern wäre vieles nicht möglich, was wir heute leisten.“

Als Mertig 2001 als Professorin für die Quantentheorie des Festkörpers berufen wurde, waren viele der Professoren in der Physik bereits im Ruhestand oder standen kurz davor. „Das war eine gute Möglichkeit für die weitere Profilierung des Instituts“, erinnert sich die Physikerin. Gemeinsam mit Kollegen erarbeitete sie ein neues Forschungsprofil für das Institut. Die Forschung wurde auf Festkörper und Polymere konzentriert, andere Aktivitäten zurückgestellt. Die frei werdenden Professuren sollten entsprechend ausgerichtet und strategisch mit vielversprechenden Forschern besetzt werden.

„Unsere Leitidee ist, dass wir in Halle Kerngruppen etablieren, um die sich weitere Projekte ansiedeln“, erklärt Thomas Thurn-Albrecht, seit 2003 Professor für Polymerphysik in Halle. Dieser Verbund sei die Stärke des mit 14 Professuren sonst vergleichsweise kleinen Physik-Instituts: Häufig arbeiten verschiedene Gruppen gemeinsam an Forschungsgeräten. Das stärkt den wissenschaftlichen Austausch und befruchtet die Zusammenarbeit, was sich dann im Idealfall in erfolgreich eingeworbenen Projekten niederschlägt.

Der jüngste Erfolg wird von Georg Woltersdorf begleitet, der selbst ein Paradebeispiel für eine strategische Berufung ist: Bereits nach der Begutachtung des SFB 762 wurde es offensichtlich, dass das Forschungsprofil in Halle durch eine Erweiterung um die ultraschnelle Dynamik profitieren könnte – Woltersdorfs Spezialgebiet. 2013 wurde Woltersdorf als Professor für Optik in Halle berufen. Gerade einmal vier Jahre später konnte der Forscher gemeinsam mit Physikern der Freien Universität einen neuen SFB einwerben. Das Thema: ultraschnelle Spindynamik.

Die Physik in Halle wird international sichtbar

Die hallesche Physik hat sich auch weltweit einen Namen gemacht – sowohl als Veranstaltungsort für internationale Tagungen als auch als Einrichtung für hochangesehene Gastwissenschaftler. Gemeinsam mit dem MPI gelang es den Physikern 2013, den Erfinder der modernen Festplattentechnologie Prof. Dr. Stuart Parkin, über eine Alexander von Humboldt-Professur – Deutschlands höchstdotierten internationalen Forschungspreis – nach Halle zu holen. Auch der französische Physik-Nobelpreisträger Prof. Dr. Albert Fert gehört seit 2014 zu den Gästen des Instituts. Und erst vor wenigen Wochen erhielt Dr. Manuel Bibes vom renommierten Centre national de la recherche scientifique (CNRS) Thales den Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung, um für mehrere Monate in Halle zu arbeiten.

Trotz der vielen Erfolgsmeldungen geben sich die drei Professoren bescheiden. „Wir sind immer auf dem Weg“, sagt Thomas Thurn-Albrecht und verweist auf zwei weitere Themen, die ihnen am Herzen liegen: die Lehre und der wissenschaftliche Nachwuchs. „Es macht einfach Spaß, die kreativen Momente während der Arbeit mit hochbegabten jungen Menschen zu teilen“, ergänzt Mertig. Im Bereich der Promotionsstellen sei das Institut dank der SFB-Förderungen gut aufgestellt. Ein Knackpunkt sei aber die Anzahl an unbefristeten Stellen nach der Promotion, die am Institut wie an der Universität insgesamt fehlen würden. „Es ist bitter, wenn man sehr gute Mitarbeiter verliert, weil man ihnen keine verlässliche Perspektive bieten kann“, sagt Woltersdorf. Hier sehen die drei SFB-Sprecher für die Zukunft noch Nachholbedarf.

Die Arbeit am Profil ihres Instituts werden sie auch künftig weiter vorantreiben, auch wenn es viel Zeit und Mühe kostet. Und dann ist doch die Freude bei Georg Woltersdorf erkennbar, wenn er erzählt, dass das kleine Physik-Institut in Halle mit ausgewählten Beiträgen zur internationalen Spitzenforschung beitragen kann, „solche Erfolge machen eben auch Spaß!“

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Physik

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