Damit gute Ideen nicht verloren gehen

18.07.2014 von Annekatrin Lacroix in Wissenstransfer, Wissenschaft
Gründungsbotschafter Prof. Dr. Reinhard Paschke will bei Studierenden und Wissenschaftlern den Gründergeist wecken. Annekatrin Lacroix traf den Chemiker und Unternehmer zum Gespräch und fragte nach seinen Erfahrungen, dem Engagement für das Thema Gründung und Herausforderungen für Gründer aus der Wissenschaft.

Sie sind Geschäftsstellenleiter des Biozentrums der Martin-Luther-Universität auf dem Weinberg Campus, seit mehr als 16 Jahren in der Geschäftsführung der BioSolutions Halle GmbH und haben eine apl. Professur im Fachbereich Chemie an der halleschen Universität. In all diesen Positionen machen Sie sich für das Thema Gründung stark. Warum und wie unterstützen sie gründungsaffine Wissenschaftler?

Viele gute Ideen von Studierenden und Wissenschaftlern, die in der Universität entstehen, gehen verloren, obwohl eine wirtschaftliche Verwertung möglich ist. Forschungsergebnisse werden publiziert, aber leider meist nicht in die Anwendung gebracht. Mit BioSolutions bieten wir Wissenschaftlern eine Plattform, um ihre Produkte oder Verfahren weiterzuentwickeln und mit unserem Know-how wirtschaftlich zu verwerten. Nicht jeder Forscher muss selbst gründen und ist der geborene Unternehmer. Gerade im biowissenschaftlichen Bereich ist Gründen sehr teuer und bedarf einer langen Anlaufphase. Zudem ist ein Produkt allein meist nicht ausreichend, um das Unternehmen langfristig aufzustellen. Deshalb bieten wir anwendungsorientierten Forschern die Möglichkeit ihre Idee in Kooperation mit BioSolutions umzusetzen, Fördermittel einzuwerben und unsere Infrastrukturen zu nutzen.

Gründungsbotschafter Prof. Dr. Reinhard Paschke
Gründungsbotschafter Prof. Dr. Reinhard Paschke (Foto: Guido Werner)

Was ist das Geschäftsmodell der BioSolutions GmbH, deren Geschäftsführung Sie und Prof. Dr. Birgit Dräger übernehmen?

BioSolutions wurde 1998 von Prof. Dr. Martin Luckner mit dem Ziel gegründet, innovative Ideen und Verfahren aus dem universitären Alltag möglichst schnell in Produkte und Verfahren umzuwandeln, um sie am Markt zu etablieren. Das Profil der Firma hat sich neben der Forschung vor allem in Richtung Dienstleistungen für die Gesundheitswirtschaft entwickelt. Forschung, Entwicklung und Servicearbeiten konzentrieren sich heute auf mikro- und molekularbiologische Diagnostik und medizinische Vorsorgeuntersuchungen, sowie die Analytik von Wirkstoffen und Naturstoffen.

Welche Projekte hat das Unternehmen auf den Weg gebracht?

Ein aktuelles Projekt, das Zoologen der MLU mit Hilfe von BioSolutions umgesetzt haben, wurde jüngst mit dem IQ Innovationspreis Halle ausgezeichnet. Gemeinsam mit den beiden Wissenschaftlern Eckart Stolle und Prof. Dr. Dr. Robin F. A. Moritz haben wir ein neues Verfahren entwickelt, das den Zeitaufwand und die Kosten für umfangreiche Analysen des Erbguts reduziert. Restriktions-Fragment-Sequenzierung heißt diese neue Methode, die in meinen Augen großes Potenzial hat.

Den Weg in die praktische Anwendung hat auch der von BioSolutions mitentwickelte Paro-Ident‐Schnelltest zur Diagnose von Parodontitis gefunden. Mithilfe des innovativen Testkits können die Parodontitis verursachenden Bakterien innerhalb weniger Stunden kostengünstig nachgewiesen werden. Heute wird der Testkit bereits von über 500 Zahnärzten in Deutschland genutzt. BioSolutions beschäftigt sich zudem seit mehreren Jahren mit der Entwicklung von Anti-Tumor-Wirkstoffen auf pflanzlicher Basis. Im Rahmen einer Kooperation mit der Tier-Hochschule Hannover beispielsweise arbeiten wir an einem Wirkstoff, der aus Platanenrinde gewonnen wird und mit dem an Hautkrebs erkrankte Pferde behandelt werden können.

Sie sind in Halle und im Biozentrum lange verwurzelt. Warum lässt es sich auf dem Weinberg Campus gut gründen?

Ich habe 1977 in Halle mit dem Chemiestudium begonnen, war nach Abschluss des Studiums lange am Institut für Chemie in Forschung und Lehre tätig und bin 1993 zum neugegründeten Biozentrum der Universität gewechselt. Mit dem Biozentrum wurde auf dem Weinberg-Campus in Halle eine hervorragende Infrastruktur für die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Biotech-Unternehmen geschaffen. Das Konzept dieses Gebäudes, das gemeinsam von Universität und der Stadt Halle erarbeitet wurde, sah von Anfang an vor, dass 51 Prozent der Flächen durch Biotech-Firmen und 49 Prozent durch Grundlagenforschung genutzt werden sollten. Das Uni-Biozentrum stellt zusätzliche Laborflächen für interdisziplinäre Projekte und Spezialgeräte zur Verfügung. Ein wesentlicher Aspekt der Arbeit ist dabei die Unterstützung gründungswilliger Universitätsangehöriger und die Anbahnung von Kooperationsbeziehungen mit Firmen, also der praktische Technologietransfer.

Sie sind auch der fachliche Betreuer der universitätseigenen Gründerwerkstatt Biowissenschaften, die sich im Biozentrum befindet. Was bietet dieser vom Land Sachsen-Anhalt und der EU geförderte Inkubator Wissenschaftlern und welche fachliche Unterstützung können Sie geben?

Die Gründerwerkstatt bietet Wissenschaftlern einen geschützten Raum, um ihre Ideen auszuprobieren und weiterzuentwickeln. Zur Gründerwerkstatt gehört ein sehr gut ausgestattetes Labor und ein Seminarraum mit Präsentationstechnik und Computern, den die Teilnehmer der Gründerwerkstatt nutzen können. Neben der fachlichen Weiterentwicklung der Idee ist die betriebswirtschaftliche Ausarbeitung eines Geschäftskonzepts Ziel dieser Probezeit. Dabei erhalten die potenziellen Gründer Unterstützung durch die Experten von Univations, die gleich im Gebäude gegenüber sitzen. Nutzer der Gründerwerkstatt setzen sich von Beginn an mit wirtschaftlichen Fragen auseinander und machen sich frühzeitig über Verwertungsmöglichkeiten Gedanken. Zudem können Wissenschaftler herausfinden, ob sie ein Unternehmertyp sind und eine Gründung der richtige Weg für sie wäre. Meine Aufgabe als fachlicher Mentor ist es auch, den Gründergeist zu wecken und potenzielle Nachwuchsgründer unter den Wissenschaftlern zu erkennen.

Wann ist man ein Unternehmertyp? Was braucht man dazu?

Neben der fachlichen Kompetenz ist die Persönlichkeit wichtig. Man muss sehr ehrgeizig sein und eine gewisse Risikobereitschaft und das Ziel haben, mit seiner Idee Geld verdienen zu wollen. Zudem ist die betriebswirtschaftliche Komponente sehr wichtig, um das finanzielle Potenzial seiner Idee herauszustellen. Teamgründungen halte ich deshalb für sehr sinnvoll, so können Kompetenzen, die man eventuell selbst nicht hat, hinzugeholt beziehungsweise ergänzt werden. Das Problem ist hierbei leider häufig, dass Teams nicht gut harmonieren und die Umsetzung einer Idee daran scheitert. Hier müssen Gründer sehr sorgfältig bei der Auswahl ihrer Teamkollegen sein. Oft wird auch zu lange an einer Idee getüftelt, ohne damit Geld zu verdienen.

Wie kann der Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft noch besser gestaltet werden?

Gründer im Bereich Biotechnologie haben meist das Problem der finanziellen Überbrückung der langen Forschungsphase bis zur eigentlichen Gründungsvorbereitung, mitunter kann es bis zu vier Jahre oder länger dauern, bis ein Produkt marktreif ist. Für diesen Zeitraum fehlen oft die Mittel, hier könnten Stipendien zur Unterstützung des Lebensunterhalts geschaffen werden, um die Nachwuchswissenschaftler und Gründer nicht zu verlieren. Zudem müsste sich die Universität der angewandten Forschung mehr öffnen, noch immer wird diese gegenüber der Grundlagenforschung weniger anerkannt und gefördert.

Auf welche Innovation würden Sie heute nicht mehr verzichten wollen?

Ganz klar, das Internet. Es bietet einfach unbegrenzte Möglichkeiten, nicht nur für mich als Wissenschaftler und Unternehmer, auch privat. Bei Wanderausflügen im Urlaub beispielsweise lassen sich mit Google-Earth schnell und bequem tolle Routen entdecken.

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