"BirdNumbers": Bienenfresser sind klar im Vorteil

05.09.2016 von Ines Godazgar in Varia, Forschung, Wissenschaft
300 führende Ornithologen aus mehr als 50 Ländern treffen sich vom 5. bis 9. September zur Konferenz des European Bird Census Council an der Martin-Luther-Universität. Unter dem Titel „BirdNumbers“ diskutieren sie aktuelle Fragestellungen aus der Forschung. Organisiert wird die Veranstaltung vom Dachverband Deutscher Avifaunisten und der Uni Halle. Aus gutem Grund, denn vor Ort sitzt mit Dr. Frank Steinheimer, Leiter des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen, einer der bekanntesten Ornithologen Deutschlands.
Der Organisator der "BirdNumbers"-Tagung Dr. Frank Steinheimer in der Zoologischen Sammlung der Uni Halle.
Der Organisator der "BirdNumbers"-Tagung Dr. Frank Steinheimer in der Zoologischen Sammlung der Uni Halle. (Foto: Markus Scholz)

„BirdNumbers“ – so lautet der offizielle Titel Ihres Fachtreffens. Das ist erklärungsbedürftig.

Frank Steinheimer: Der Titel verweist auf die vielen Zahlen, die in der Vogelkunde eine große Rolle spielen. Sie bilden eine wichtige Grundlage für unsere Forschung und werden vielfach erhoben, etwa beim Vogelmonitoring. Sie geben Auskunft darüber, wie häufig einzelne Arten vorkommen. So erhalten wir Informationen, ob und welche Vogelarten bedroht sind.

Warum findet die Konferenz ausgerechnet in Halle statt?

Die Zoologische Sammlung der Uni Halle hat eine lange ornithologische Tradition. Dort sind auch Daten bedrohter Arten wie Rotmilane, Großtrappen und Wanderfalken systematisch gesammelt worden. Die Sammlung war oft an Forschungsprojekten beteiligt, so zum Beispiel an einem Monitoring und der statistischen Auswertung von Erkrankungen und Todesursachen bedrohter Vogelarten. Dieses Wissen und auch die Sammlung als solche sind für die Konferenzteilnehmer von großem Interesse. Ein weiterer Grund, warum sie gern zu uns nach Halle kommen, ist die Tatsache, dass hier gleich zwei Forscher sitzen, die in der Ornithologie keine Unbekannten sind: Mein Kollege, Kai Gedeon vom Landesamt für Umweltschutz, der einen Brutatlas der Vögel Deutschlands herausgegeben hat und die Tagung mit organisiert. Und meine Wenigkeit. Ich war früher in der größten Vogelsammlung der Welt tätig und habe außerdem an der Edition eines Handbuchs der Vögel der Welt mitgearbeitet. Da ist man in der Fachwelt unweigerlich bekannt.

Welcher Tagungsteilnehmer hat die weiteste Anreise?

Wir veranstalten eine europäische Tagung, das heißt, die Teilnehmer kommen vor allem aus europäischen Ländern. Aber wir haben auch Gäste aus den Vereinigten Staaten, aus Russland und dem Iran.

Der Eröffnungsvortrag widmet sich einer neuen Taxonomie der Vögel. Warum gerade dieses Thema?

Die Taxonomie, also die Einordnung von Vögeln in Arten und Unterarten, ist immer in Bewegung. Ornithologen sind stets auf der Suche nach möglichst eindeutigen Kriterien, um die Vogelwelt zu beschreiben. Das ist ein bisschen wie die Suche nach der Weltformel, denn so einfach ist das nicht. Bevor einzelne Kriterien festgelegt werden, muss man fragen, ob diese Einteilung Sinn ergibt. Ein Beispiel: Wenn man alle Greifvögel zu einer Art rechnen würde, dann wären Greifvögel heutzutage nicht mehr bedroht. Wenn man allerdings aus jeder Farbvariante eines Greifvogels eine eigene Art machen würde, dann wären plötzlich alle Arten von Greifvögeln bedroht. Daran kann man sehen, wie wichtig es ist, die Kriterien für eine Art genau durchdacht und möglichst nah an der Natur zu definieren. Der neuen Taxonomie, die derzeit in der Fachwelt diskutiert wird, liegen veränderte Kriterien zu Grunde. Zum Beispiel spielt der Gesang jetzt eine größere Rolle als bisher. Dadurch gibt es jetzt auch mehr schutzwürdige Arten.

Eine kurze Einschätzung zum Schluss: Sind heute viele Vogelarten bedroht?

Den Waldvögeln in Deutschland geht es heute besser als noch vor 20 Jahren. Die Wälder werden inzwischen oft weniger intensiv und seltener in Monokulturen bewirtschaftet und der positive Effekt spiegelt sich direkt in der Vogelwelt wider. Nicht ganz so rosig sieht es bei den Arten aus, die offenes Land brauchen, zum Beispiel Rebhühner oder die Feldlerche. Diesen Vögeln geht schlicht das Fressen aus, denn oft finden sie am Boden von überdüngten, dicht bewachsenen Feldern und verbuschenden Heidelandschaften keine Insekten mehr. Aber zum Abschluss noch eine gute Nachricht: Auch bei den Vögeln, die offenes Land brauchen, gibt es einen Gewinner, den Bienenfresser nämlich. Dieser exotisch anmutende Vogel kommt inzwischen häufiger vor als früher. Einerseits profitiert er davon, dass es insgesamt wärmer geworden ist, andererseits frisst er fliegende Insekten. Das verschafft ihm einen Vorteil, der sich bereits in Zahlen ausdrücken lässt.

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