Ansteckendes Engagement

11.02.2014 von Michael Deutsch in Studium und Lehre, Personalia, Campus
Hans Lilie steht noch immer im Rampenlicht der Medien. Deutschlandweit. Der hallesche Jurist ist um Transparenz bemüht. Er ist einer, der weniger skandalträchtige Schlagzeilen fordert und um Sachlichkeit wirbt – eben, weil so Vieles auf dem Spiel steht: Es geht um lebenswichtige Weichenstellungen in der Transplantationsmedizin. Ein Thema, dass der 64-Jährige auch mit Studierenden diskutiert.
„Ich habe eine besondere Beziehung zu dieser Universität.“ Jura-Professor Hans Lilie
„Ich habe eine besondere Beziehung zu dieser Universität.“ Jura-Professor Hans Lilie (Foto: Maike Glöckner)

Prof. Dr. Hans Lilie, Lehrstuhlinhaber für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsvergleichung und Medizinrecht an der Universität Halle, gilt seit Jahren als ausgewiesener Experte für das schwierige Spannungsfeld zwischen Medizin, Ethik und Recht. Spätestens als im Juli 2012 bekannt wurde, dass Ärzte in Regensburg und Göttingen wohl über Jahre hinweg Laborwerte gefälscht hatten, um Leber-Organe an den offiziellen Wartelisten vorbei zu schleusen, wird die Debatte um den Transplantationsskandal hitzig geführt.

So hitzig, dass Lilie als Vorsitzender der ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer (BÄK) bemüht ist, Schadensbegrenzung zu betreiben. Denn zum chronischen Mangel an Spenderorganen erlebt nun – gerade durch den Sensationseifer der Medien – die Transplantationsmedizin einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung.

"Ungemein spannend und eine Riesenchance"

Zu Unrecht. Lilie wirbt um Vertrauen. Er brennt für das Thema. Und er steckt andere an. Vor allem auch seine Studenten. „Es ist eine Riesenchance und zudem ungemein spannend, wenn man ein solch viel beachtetes Thema direkt in die Lehre einbringen kann“, sagt er. Im vorigen Semester wurde dazu ein Seminar mit Masterstudenten veranstaltet, in dem der Skandal und seine rechtlichen Hintergründe viel diskutiert unter die Lupe genommen wurden. Aus den Fakten und aus dem Verlauf lässt sich vieles ableiten. „Etwa die Erkenntnis, das Recht eine Materie ist, die immer in Bewegung bleibt.“

Überall stehen Fragenzeichen, einfache Antworten gibt es fast nie. „Eine der ganz spannenden Fragen ist etwa die, ob die Manipulation auf der Warteliste ein versuchter Totschlag ist?“ Und Hans Lilie geht unkonventionelle Wege. Letztes Jahr holte er beispielsweise den Sänger Roland Kaiser nach Halle. Kaiser, dem 2010 eine Lunge transplantiert wurde, hielt an der Uni eine Vorlesung und erzählte aus seiner Perspektive als Patient. „Es war großartig ihn zu bewegen, vor meinen Studenten zu sprechen“, sagt Lilie, der den Sänger auf der Jahrestagung der Deutschen Stiftung Organtransplantation kennen lernte.

Als Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation hat Lilie nach den Vorfällen in Göttingen 2012 etliche Lebertransplantationszentren unter die Lupe genommen. „In diesen Tagen beginnen wir, wie man etwas spöttisch sagen kann, die Transplantationsmedizin auf Herz und Nieren zu prüfen. Das heißt, jetzt kommen die Herz- und Nierenzentren an die Reihe“, kündigt der Jurist an. Natürlich spaziert man da nicht einfach in die Klinik und stöbert in den Akten. „Wir haben mittlerweile konkrete Fragestellungen entwickelt.“

An der Uni Halle wurde dazu eigens ein medizinisch-statistisches Verfahren erarbeitet, das Prüfungen ermöglicht, die zu sehr repräsentativen Ergebnissen führen. Diese Methodik verdanke man einer bislang einmaligen interdisziplinären Zusammenarbeit. Neben Hans Lilie sind auch Professorin Marlies Ahlert aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sowie Professor Paolo Fornara, Leiter des Transplantationszentrums und Chefarzt der Urologie an der Uniklinik, daran beteiligt, in der Ständigen Kommission Organtransplantation der BÄK die Prüfungsmodelle zu erarbeiten und zu optimieren. „Das alles erfolgt in intensiver Absprache mit Eurotransplant, der Vermittlungsstelle für Organspenden“, erklärt er.

Entscheidung unterm Weihnachtsbaum

Für Hans Lilie, der als Direktor des Interdisziplinären Zentrums Medizin-Ethik-Recht fungiert und außerdem noch im Studentenwerk Halle als Vorsitzender des Verwaltungsrates aktiv ist, ist Halle Heimat geworden. „Ich habe eine besondere Beziehung zu dieser Universität“, erzählt der gebürtige Duderstädter. „Das klingt jetzt vielleicht etwas sentimental: 1991 habe ich meine ersten Vorlesungen hier gehalten und war sofort von der Atmosphäre der Uni und der Stadt fasziniert.“

Der Zufall wollte es, dass Lilie zu Weihnachten 1992 gleich zwei Angebote erhielt. „Am 21. Dezember bekam ich einen Ruf nach Hannover, am 22. Dezember einen Ruf nach Halle. Wir saßen mit der Familie unterm Weihnachtsbaum und haben überlegt, wie unser Leben weitergehen wird“, erinnert er sich. Seine Wahl fiel auf die Saalestadt und ihre Universität. Bereut hat er es nie.

„Der Kollegenkreis, der hier an der Juristischen Fakultät zusammenkam, war fantastisch.“ Aber auch die vielen, sehr menschlichen Kontakte zu entfernteren Kollegen in einer sich gerade umwälzenden Universität der Wendezeit, hätten ihn immer bestärkt. Natürlich hat auch Lilie gelegentlich mit Veränderungen geliebäugelt. „Aber wenn ich mir dann näher angeschaut habe, was an anderen Wirkungsstätten möglich wäre, wusste ich, dass ich mich nie beruflich so wohl fühlen würde wie in Halle.“

Hans Lilie wird im kommenden August 65 Jahre. „Ich hätte mir vorstellen können, auch weiter zu machen. Aber die Konstellation war eben nicht so. Ich habe daraus die Konsequenzen gezogen“, sagt der Jurist, der sich immer als Hochschullehrer sah, den es nicht nur ins Studierstübchen zog, sondern mehr noch in die Praxis, in die Realität. Schon deshalb war er zu Beginn seiner halleschen Karriere dreizehn Jahre im zweiten Hauptamt Richter am Landgericht.

„Mich reizte es, immer auch die andere Seite zu erleben“, sagt Lilie, der sich mit Beginn seines Ruhestandes von einer anderen Seite zeigen wird. In Leipzig will er sich mit einer Kanzlei zusammenschließen und als Strafverteidiger auf dem Gebiet des Medizinrechts arbeiten. Und dann steht der Rechtswissenschaftler auch der Bundesärztekammer zur Verfügung. „Wenn ich nächstes Jahr wiedergewählt werde, würde ich die Kommission auch gern weiterführen.“

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